: Wieder schwere Zusammenstöße in Haiti
Haitis Opposition fordert weiterhin den Rücktritt von Präsident Aristide. Gerüchte über Putsch oder US-Intervention wechseln sich ab. Die USA dementieren Stationierung von Truppen an der dominikanisch-haitianischen Grenze
SANTO DOMINGO taz ■ Bei erneuten schweren Zusammenstößen zwischen Anhängern des haitianischen Staatspräsidenten Jean-Bertrand Aristide und Mitgliedern von Oppositionsgruppen in verschiedenen Städten des Landes sind am Dienstag mehrere Personen zum Teil schwer verletzt worden. In der Hafenstadt Gonaïves haben sich seit Tagen zum Teil schwer bewaffnete Mitglieder einer so genannten Kannibalenarmee verschanzt. Sie fordern den Rücktritt des ehemaligen Armenpriesters Aristide.
Die „Kannibalenarmee“ wird von einem früheren Anhänger der regierenden Fanmi Lavalas angeführt. Amiott Métayer wurde Anfang August von Mitgliedern seiner Organisation zusammen mit 159 Gefangenen aus dem Gefängnis der Hafenstadt befreit. Die Stadt gilt seitdem als Zentrum des Widerstand gegen die Lavalas-Regierung. Am heutigen Donnerstag wollen Lavalas-Mitglieder landesweit zur Unterstützung des Staatspräsidenten Aristide demonstrieren.
Die Situation in dem ärmsten Land Lateinamerikas hat sich seit Anfang November dramatisch verschärft, nachdem der haitianische Staatschef keine paritätisch besetzte Wahlkommission präsentieren konnte, wie es ein Ultimatum der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) gefordert hatte. Die in der Convergence Demócratique zusammengeschlossene Opposition fordert den Rücktritt Aristides. Erst dann will sie Mitglieder in die Wahlkommission entsenden, um Neuwahlen im kommenden Jahr vorzubereiten.
Währenddessen hat die US-Botschaft in der dominikanischen Republik einen Bericht der englischsprachigen Ausgabe des The Miami Herald dementiert, zu Beginn des kommenden Jahres würden US-Truppen auf dominikanischer Seite an der rund 325 Kilometer langen Grenze zu Haiti stationiert. US-Soldaten würden lediglich bei „humanitären Projekten“ im Land und bei Antiterrorismus-Übungen eingesetzt, jedoch nicht an der Grenze. Ende der vergangenen Woche hatte der Chef des in Puerto Rico stationierten Südkommandos, General Alfred Valenzuela, die Grenze zwischen der spanischsprachigen Dominikanischen Republik und dem französischsprachigen Haiti besucht.
Schon heute passieren täglich hunderte von Haitianer illegal die Grenze, um sich auf den Feldern oder im Bausektor als Billigarbeiter zu verdingen. Sollte es wirklich zu einem Regierungssturz oder einem Rücktritt von Aristide in Haiti kommen, befürchten Regierungskreise in der dominikanischen Hauptstadt Santo Domingo, werde es zu einer Massenmigration kommen. Man beginne die Karibik als „dritte Grenze“ anzusehen, zitierte The Miami Herald in seinem Artikel einen namentlich nicht genannten Vertreter der US-Regierung in Washington. Über diese Region würden Drogen eingeschmuggelt, Geld gewaschen und gelangten Terroristen in die USA.
HANS-ULRICH DILLMANN
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