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Atempause für Fiat-Arbeiter

Nach wochenlangen Streiks und spektakulären Blockaden vertagt der Autobauer die Einführung von Null-Kurzarbeit und verhandelt wieder mit den Gewerkschaften

ROM taz ■ Seit gestern befinden sich die Gewerkschaften, die Regierung und Fiat in Nonstopverhandlungen. Sie suchen einen Ausweg aus der schweren Krise des italienischen Automobilbauers. Den Weg hatte die Fiat-Firmenleitung geebnet. Sie setzte die unmittelbar anstehende Überleitung der ersten 5.600 Beschäftigten – weitere 2.500 sollten im Jahr 2003 folgen – in die Null-Kurzarbeit für zunächst zehn Tage aus. Und signalisierte Bereitschaft, über den Erhalt des Werks im sizilianischen Termini Imerese zu diskutieren.

Die ursprünglichen Pläne der Firma sahen das endgültige Aus für Termini und damit die Arbeitslosigkeit für 1.800 Beschäftigte vor. Vordergründig haben also die Gewerkschaften, die noch am Dienstag etwa 20.000 Fiat-Arbeiter aus allen Produktionsstandorten zu einer Demonstration in Rom mobilisierten, einen ersten Erfolg errungen. Mit nationalen Ausständen in der gesamten Metallindustrie, vor allem aber mit spektakulären Kampfmaßnahmen in Termini Imerese hatten sie den Druck in den letzten Wochen konstant aufrechterhalten: Die Arbeiter waren nicht nur im Dauerstreik, sie hatten auch immer wieder zu Blockademaßnahmen gegriffen, die mal den Flughafen von Palermo, mal den Eisenbahn- oder der Autobahnverkehr, mal die Fähre vom Festland nach Sizilien betrafen.

Die Protestler konnten dabei auf die Solidarität nicht nur der örtlichen Politiker, sondern auch des Erzbischofs, ja sogar von Präfekt und Polizeipräsident bauen. Ihr Kampf ist sehr populär: Die Schließung des Werks in einer Stadt mit 25 Prozent Arbeitslosigkeit wäre eine Katastrophe.

Ob die Verhandlungen die Wende bringen, steht aber noch dahin. Denn Fiat hält an seinem Sanierungsplan fest: Durch niedrigere Kapazitäten und 26 Prozent weniger Personal soll pro Jahr eine Milliarde Euro gespart werden. Wenn – wie in Aussicht gestellt – der neue Punto von Mitte 2003 an in Termini gefertigt wird, bedeutet dies eine Verlagerung des Stellenabbaus nach Turin und Melfi.

Die Gewerkschaften fordern den Verzicht auf Entlassungen. Statt über Null-Kurzarbeit in einzelnen Werken als Vorstufe zum Rausschmiss wollen sie nur über rotierende Kurzarbeit aller Beschäftigten reden. Es sei Aufgabe der Fiat-Eigentümer und der Regierung, die Voraussetzungen für den Erhalt der italienischen Autoproduktion zu schaffen.

Doch der Regierung sind durch europäische Subventionsregeln und einen knappen Staatsetat weitgehend die Hände gebunden, und Fiat ist vor allem daran interessiert, seine Autosparte für den spätestens im Jahr 2006 anstehenden Verkauf an General Motors fit zu machen. Angesichts heftiger Einbußen bei den Marktanteilen in Europa erscheint schon die Aufrechterhaltung des Standorts Termini aus Konzernsicht als Zugeständnis. Die Unternehmensberatung Roland Berger jedenfalls rechnete vor, dass Mehrkosten von etwa 30 Millionen Euro jährlich entstünden. Viel sinnvoller sei es, in Termini auf Tourismus zu setzen. Die Fiat-Arbeiter hätten dann eine Zukunft als Croupiers im Spielkasino. MICHAEL BRAUN

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