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Die Angst hat Konjunktur

Anschläge wie der in Mombasa erhöhen die abstrakte Angst vor Terror. Zu einer verstärkten Zunahme an Agoraphobien führen sie nicht. Viel konkreter ist die Angst vor sozialem Abstieg

von UWE RADA

Jeder neue Terroranschlag wie der in Mombasa schärft erneut den Blick. Absperrungen und Räumpanzer vor der Synagoge in der Oranienburger Straße, Videokameras in der Friedrichstraße und die hinter Nato-Draht und Sondereinsatzkommandos verbarrikadierte US-Botschaft in der Neustädtischen Kirchstraße suggerieren: Unsere Angst ist berechtigt. Dies umso mehr, als zwei Wochen vor dem Anschlag in Kenia in einem Al-Qaida-Video ausdrücklich auch Deutschland als Anschlagsziel genannt wurde und Bundesinnenminister Otto Schily seine große Sorge darüber zum Ausdruck brachte.

Noch gab es in Berlin keine Meldungen über angeblich verhinderte Giftgasattacken in der U-Bahn wie vor kurzem in London. Dennoch ist einer im September veröffentlichten Studie des Versicherungskonzerns R+V zufolge die Angst vor Terrorismus in Deutschland hinter der Angst vor Umweltkriminalität an Platz zwei des „Angstprofils“ gerückt. Und folgt man einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), sind die Ausgaben für Sicherheit auch in Deutschland stark gestiegen. Die wachsende Angst ist auch ein ökonomischer Faktor, der allerdings in vielen Bereichen zu Preissteigerungen führt und nicht selten wiederum als ein Mehr an materieller Angst beim Verbraucher ankommt.

Wie konkret ist sie aber nun, diese wachsende Angst vor Terroranschlägen? Und welchen Konjunkturen ist sie unterworfen? Hans-Martin Hartmann, einer der Leiter des Berliner Angstzentrums in der Taunusstraße, kann zum Beispiel aus seiner Beratungspraxis keinen signifikanten Anstieg an Agoraphobie feststellen. „Es gibt zwar Leute, die hin und wieder das Thema Terrorismus ansprechen, aber die Beratungsgespräche laufen nicht darauf hinaus.“ Wenn überhaupt, betreffe es diejenigen, die ohnehin unter einer generalisierten, also nicht anlassbezogenen Angststörung litten.

Dies ist umso interessanter, als die Zahl der an Sozialphobie Erkrankten seit Jahren kontinuierlich steigt. Dies ist nach Meinung vieler Experten auch auf den verstärkten Druck am Arbeitsplatz zurückzuführen. In der Berichterstattung über Angstformen spielt die Angst vor Versagen und sozialem Abstieg aber bei weitem nicht die Rolle wie die „Angst vor Terrorismus“. Der Kulturtheoretiker Tom Holert spricht auch von einer Konjunktur der Angst, die sich nach dem 11. September zur „Schlüsseltechnologie der Kontrollgesellschaft“ entwickelt habe.

Unabhängig davon, ob man einer solchen Argumentation folgern mag, verweisen die Ergebnisse der R+V-Studie und die Beobachtungen aus der Beratungspraxis des Berliner Angstzentrums auf eine Kluft zwischen einer abstrakten Angst und ihrer möglichen Konkretisierung beziehungsweise Verortung. Auch im persönlichen oder Arbeitsumfeld gibt es kaum jemanden, der aufgrund einer tatsächlich gewachsenen abstrakten Angst nun plötzlich die U-Bahn meidet und aufs Auto umsteigt. Ganz anders verhielt es sich mit dem Rückgang auch der Berliner Fluggäste nach dem 11. September. Noch ist ein abstürzendes Flugzeug als (Angst-)Bild abrufbarer als eine Autobombe vor einem Berliner Hotel.

Gleichwohl sind die Panzer vor der Synagoge und der Nato-Draht vor der US-Botschaft nicht nur Chiffren einer abstrakten Bedrohung. Sie stehen auch für die veränderte Wahrnehmung, dass es im Zeitalter des globalisierten Terrorismus keine Inseln der Seligen mehr gibt, weder an der kongolesischen Küste noch in einer Hauptstadt wie Berlin.

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