: Lieber die Police verkaufen statt kündigen
Handel mit Lebensversicherungen ist auf dem Vormarsch. Kündigung bringt meist Verlust, Verkauf kann besser sein
Mehr als 60 Prozent aller Versicherten kündigen vor Vertragsschluss ihre Lebensversicherung. Das kommt den Versicherten teuer zu stehen: Wer einen Vertrag frühzeitig beendet, muss enorme Abschläge bezahlen und bekommt oft nicht einmal das eingezahlte Kapital zurück.
Neue Hoffnung für Aussteiger gibt eine Idee, die aus Großbritannien stammt: Handel mit der Altersabsicherung. Will der Inhaber einer Kapitallebensversicherung vorzeitig aus seinem Vertrag aussteigen, kann er diesen an einen so genannten Händler verkaufen. Dabei erzielt er einen Preis, der den mit der Versicherung vereinbarten Rückkaufwert bei weitem übertrifft. So wird beispielsweise ein durchschnittlicher Preisaufschlag von vier Prozent angeboten. Auch der Käufer, also der Händler, profitiert von diesem Handel: Der innere Wert der Police – die aufgelaufenen garantierten Boni plus der abgezinsten, erwarteten Überschussbeteiligungen in der Zukunft – liegt über dem Kaufpreis der Lebensversicherung.
In angelsächsischen Ländern hat dieser Handel eine lange Tradition. Bereits 1844 konnten Versicherungsnehmer ihre Policen über den Londoner Makler Forster & Cranfield versteigern. Mittlerweile hat das britische Geschäft mit gebrauchten Lebensversicherungen ein Volumen von 500 Millionen Pfund erreicht.
Deutschland steht dagegen erst am Anfang einer möglicherweise rasanten Entwicklung. „Das Marktpotenzial liegt hier bei rund 800 Millionen Euro“, schätzen die Mummert Consulting AG in Hamburg. Bisher gibt es nur zwei überregionale Anbieter, die Stuttgarter Business Capital Network sowie die in München ansässige Cash Life. Daneben werben ein Dutzend Finanzmakler um die Gunst des Publikums. Makler reichen jedoch die gekaufte Policen ebenfalls an die beiden Marktführer weiter und wollen mitverdienen, was die Sache kostspieliger macht. Ein Direktverkauf ist meist der günstigere Weg für den Versicherten.
Gerhard Kluge distanziert sich von der angelsächsischen Praxis. „Dort wird auf ein schnelles Ableben spekuliert“, sagt der Geschäftsführer von Business Capital Network. Gezielt suchen US-Händler nach Todkranken und Aids-Patienten, um ihnen Policen abzukaufen und die Versicherungssumme zu kassieren. Solche Auswüchse sind in Kluges Geschäftsmodell unmöglich. Kommt es tatsächlich zu einem Todesfall, erhalten die Hinterbliebenen eine nachträgliche Kaufpreiserhöhung. Dieser Nachschlag wird vertraglich fixiert. HERMANNUS PFEIFFER
Business Capital Network,www.bcnet.de, Tel. (07 11) 12 02 68-0;Cash Life, www.cashlife.de,Tel. (0 89) 28 69 53 11
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen