pampuchs tagebuch: Der Segen der heiligen Irmingard
In unserer aus aktuellem Anlass aufgelegten Miniserie „Herzinfarkt und Internet“ beschäftigen wir uns heute mit der Frage, wie und wo Herzpatienten die Segnungen des Netzes zu spüren bekommen. Zu diesem Behufe haben wir uns die Klinik St. Irmingard in Prien am Chiemsee verfügt, um uns dort im Rahmen einer AHB (Anschlussheilbehandlung) mit ganzheitlichem Ansatz in eine Art „bio-psycho-soziales“ Netz fallen zu lassen.
Das jedenfalls verspricht der Prospekt der Klinik, die wir unter verschiedenen uns von der BfA angebotenen ausgewählt haben. Die Klinik liegt hübsch am „bayerischen Meer“ und ist Gründungsmitglied des Netzes der „health promoting hopitals“, ein Krankenhaus also, das sich lobenswerterweise doch tatsächlich die Gesundheitsförderung zum Ziel gesetzt hat. Das Essen ist gut, das Personal freundlich, und die Zimmer sind hübsch. St. Irmingard will den „humanitären Aspekt“ der Medizin wiederentdecken und legt darum Wert darauf, dass die Patienten Lust am Leben haben. „Die Lebenserwartung hängt auch von der Hoffnung ab“, sagte mir der umtriebige Oberarzt und leitende Kardiologe des Hauses, Dr. Ulrich Hildebrandt, den ich gleich am zweiten Tag aufsuchte.
Anlass meines Besuches war ein Projekt, das sich Hildebrandt vor drei Jahren ausgedacht hat und das mir schon beim Einchecken am schwarzen Brett ins Auge sprang. Das Projekt heißt PIC – Patienten-Internet-Café – und besteht aus einem etwas betagten, aber doch brauchbaren PC, der in der Eingangshalle steht und gegen 1 Euro pro 15 Minuten benutzt werden kann.
Nach meinen Erfahrungen im Krankenhaus in München weiß ich, dass dies keineswegs selbstverständlich ist. Richtig ins Staunen aber kam ich, als ich merkte, dass hinter diesem ollen Kasten ein von der EU gefördertes Zweijahresprojekt steht, das in neun Krankenhäusern (gesundheitsfördernden) europaweit durchgeführt wurde. Nicht nur die Kiste wurde dabei gestellt, sogar junge Freiwillige kamen aus dem Ausland, um sich im Rahmen eines sozialen Jahres (vermittelt vom „European Voluntary Service“) darum zu bemühen, die Reha-Patienten in die wundersame Welt von PC, E-Mail und World Wide Web einzuführen. Mit Filmen und Vorträgen wurden sie eingestimmt, anschließend bemühten sich Caroline aus Lyon und Dina aus Korinth in St. Irmingard den Menschen den Umgang mit Mäusen und Mails beizubringen. So manche Oma konnten sie befähigen, ihre Enkel mit einer Mail aus der Klinik zu beeindrucken. Doch die Hoffnung, dass sich die Patienten mit Hilfe von Internet, CD-ROMs und einschlägigen Chaträumen selber weiterbilden, hat sich noch nicht so recht erfüllt. Das mag mit dem Alter der Leute zu tun haben, sicherlich aber auch mit der Verweildauer in der Klinik, die einen Computerkurs doch nicht ganz ersetzen kann. Jetzt, nach Ende des Projektes, wird der Computer nur mäßig frequentiert.
Hildebrandt möchte jedoch keineswegs aufgeben. Im Moment versucht er, die Computerei in die Ergotherapie miteinzubeziehen. Langfristig sieht er das Internet als immer wichtigeres Hilfsmittel für Ärzte und Patienten und empfiehlt auch gleich die Adresse www.chd-taskforce.com, bei dem man ganz flink sein Herzinfarktrisiko ausrechnen kann – das Internet wird psychosozial, St. Irmingard sei Dank. THOMAS PAMPUCH
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