: Jesus im Kimono, Maria und Josef aus Elefantenzähnen
Eine Hamburger Ausstellung zeigt 143 Krippen aus Nigeria, Ecuador oder dem fernen Korea. Manche haben in einer Walnussschale Platz
Josef und Maria tragen Häuptlingsfedern und farbenfrohe Inkatracht. Der Stall von Bethlehem ist so überfüllt wie eine enge peruanische Hütte – alle wollen das Jesuskind sehen. Das Szenario spielt sich auf wenigen Quadratzentimetern ab, in einer von 143 Weihnachtskrippen aus 28 Ländern, die im katholischen St. Adolf-Stift bei Hamburg ausgestellt sind. Noch bis Anfang Februar zeigen zwei Sammler aus Bamberg in dem Reinbeker Krankenhaus ihre schönsten und ausgefallensten Stücke.
Eine der spektakulärsten Krippen ist gleichzeitig eine der kleinsten der Welt. Aus einem einzigen Streichholz hat ein Argentinier die Heilige Familie geschnitzt – Maria und Jesus mit hauchdünnem Heiligenschein, Josef mit gebogenem Stab in der rechten Hand. Ein Bayer aus dem Allgäu brauchte auch nicht viel Raum und verlegte den Stall von Bethlehem in eine Walnuss: Über der Geburtsszene schwebt ein Stern, im Vordergrund hat sogar noch ein Lamm Platz.
Krippensammler und -bauer Jakob Gerner, der drei Viertel der Ausstellung stellt, klappert seit Jahrzehnten Antiquitätenläden ab auf der Suche nach ausgefallenen Krippen. „Meine exotischsten Stücke bekomme ich von Missionaren aus der ganzen Welt angeboten“, sagt der 75-Jährige. Er beherbergt die Heilige Familie weit mehr als 500-mal bei sich zu Hause. Eine einzige Darstellung der Geburt Jesu kostet schon mal über 10.000 Euro – ein Glück für Gerner, dass seine Frau die Leidenschaft teilt.
Die Weihnachtsszene findet in Bambusrohren, Elefantenstoßzähnen, Streichholzschachteln und Straußeneiern statt. Es gibt praktische Reise-Krippen in Spanschachteln und kostbare aus Biskuitmarmor. „Ich muss immer wieder kommen und gucken“, sagt eine Patientin, die zwischen den Vitrinen in der Eingangshalle des Krankenhauses umherwandert. „Es gibt immer wieder etwas, was man noch nicht gesehen hat.“
Bethlehem scheint überall zu liegen, etwa in Nigeria: Langgezogene, afrikanische Figuren, die aus den Hauern eines Warzenschweins geschnitzt wurden, beugen sich über ein dunkelhäutiges Jesuskind. Auch deutsche Krippenbauer bemühen sich nicht um historische Authentizität. Die Ausstellung zeigt mehrere Beispiele für das fehlende Bemühen um Realitätsnähe: Die Weihnachtsszene in einer Höhle unter den schneeglitzernden Gipfeln der Alpen, die Koreanern wahrscheinlich ebenso fremd vorkommt, wie einem Deutschen der Jesus auf einem gelben Seidenkissen vor Maria im Kimono. „Ein absolutes Ausnahmestück“, sagt Jakob Gerner über die asiatische Krippe.
In der Art des Krippenbaus finden sich auch Anhaltspunkte für ältere, als die christlichen Bräuche. Bei einer Krippe aus Ecuador etwa bestehen die grellbunt angemalten Figuren aus Brotteig und sind Grabbeigaben für Familienangehörige; so wie es in dem Dorf, aus dem die Krippe stammt, schon lange vor der Christianisierung gemacht wurde.
In Deutschland findet man vor allem im Süden leidenschaftliche Krippenbauer. Die Weihnachtsszene in einer Fischerhütte an der Nordsee sucht man in Reinbek daher vergebens, obwohl tatsächlich schon Norddeutsche zu Jakob Gerner gereist sind, um das Krippenbauen zu lernen.
Christina Schneider (AP)
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