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in fußballlandCHRISTOPH BIERMANN über den Moment des Jahres

Reisen mit Edi

Nichts geht über einen guten Reisegefährten, und einen besseren als Edi könnte ich mir kaum denken. Zumal wir auf der Suche nach dem schönen Spiel bis nach Mali ins tiefste Afrika gefahren waren, was besondere Anstrengungen mit sich brachte. Doch wunderbar austariert war unsere Rollenverteilung, die im Grunde der von „guter Bulle – böser Bulle“ folgte, wobei ich der Finsterling war, der die Dinge energisch humorlos anpackte, während Edi das Land stets weicher und nachsichtiger durchschritt.

Als er sich etwa mit dem Fotoapparat in die Jubelfeiern stürzte, nachdem Mali das Viertelfinale der Afrikameisterschaft erreicht hatte, wurde mein Kompagnon von allen Seiten begeistert bestürmt. Die Menschen hier rissen sich nämlich um unsere Adressen, damit wir Brieffreunde werden konnten. Einer aber wollte mehr. „Kauf mir ’ne Cola“, sagte der Rastafari im Bob-Marley-Shirt zu Edi, der die braune Brause im nahe gelegenen Restaurant holen sollte, wo ich mich vom harten Tag bereits erholte. Weil Edi ein so zartes Herz hat, gab er dem frechen Zottel so viel Geld, dass der sich einen ganzen Kasten Cola kaufen konnte. Auf dem Rückweg zum Hotel konnte ich Edi zumindest noch davor bewahren, dass er auch noch die Reise eines jungen Mannes zu seinem Vater nach Mopti bezahlte.

In Taxis war er stets bereit, das während der Fahrt erhöhte Beförderungsgeld wirklich zu entrichten oder beim stets rätselhaften Mangel an Wechselgeld einfach darauf zu verzichten. Er zeigte sich offen für alle und alles, sogar den Amöben erlaubte er eine Passage durch seine Eingeweide. Selbst die nächtlichen Exzesse beim Versuch, eine Verbindung zum Internet herzustellen, ertrug er so tapfer, als wollte er den schwarzen Kontinent mit buddhistischem Gleichmut erfüllen. Wobei es mich doch mit Sorge erfüllte, dass er seine Vitamintabletten schließlich mit Whiskey herunterspülte.

Nur einmal regte sich sein Widerstand. Als Edi auf Anordnung des Pressesprechers des afrikanischen Fußballballverbandes von zwei Soldaten vom Spielfeldrand abgeführt wurde, beschimpfte er die Ordnungshüter. „Ihr Würste“, rief er, allerdings auf Deutsch und nicht Bambara oder Französisch. Trotzdem war das ein Akt tapferer Résistance, der nach all den Tagen des Duldens wohl einfach nötig war, um das seelische Gleichgewicht wiederherzustellen.

Denn meist saß er noch bis tief in die Nacht an dem kleinen Swimming-Pool unseres Hotels, um seine Reisenotizen niederzuschreiben. Er rauchte dabei viel zu viele Zigaretten, trank Bier und schaute sinnierend in den sternenklaren Himmel. Während ich herzloserweise oft schon lange schlafen gegangen war, stand ihm nur noch Baba bei, der kugellustige Portier des Hotels, der Edis Getränke längst ohne Bestellung nachreichte. Dies stille Treiben wurde manchmal unterbrochen, wenn Flughunde ins Wasser fielen, die der Autor mit klopfendem Herzen rettete.

In einer unserer letzten Nächte schlich sich die schöne Mai Saranga an den verlassen arbeitenden Late-Night-Texter heran. Wir kannten sie als geduldige Begleiterin eines Spielervermittlers aus Frankreich, der nun aber offensichtlich abgereist war. Mai schaute Edi an, dessen Gesicht vom Bildschirm seines Laptops leicht angeleuchtet wurde und sagte zu ihm: „You always work, you like earn money. I love you.“ So wunderbar verdichtet ist der Zusammenhang zwischen Arbeit, Geld und Liebe wohl selten hergestellt worden, und Edi bekam zur Bekräftigung ein Zettelchen zugesteckt, auf dem gleich zwei Handynummern von Mai notiert waren.

Ich aber hatte leider den schönsten Moment des Jahres verschlafen, was am nächsten Tag auch nicht dadurch aufzuwiegen war, dass uns Frank, der südafrikanische Scout von Manchester United, herbeirief, damit wir im Kolonialstil die neue Hotelangestellte begafften. Die junge Frau aus Burkina Faso war von wahrhaft überirdischer Schönheit, aber als Frank verkündete, dass sie „first class“ und „top of the pile“ sei, war die Zeit gekommen, mit roten Ohren die Koffer zu packen und darauf zu hoffen, dass es im nächsten Jahr irgendwo anders wieder genauso schön wird.

Fotohinweis: Christoph Biermann (41) liebt Fußball und schreibt darüber.

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