: Holy Horror Picture Show
Von Festen der Liebe, die weder be- noch sonstwie sinnlich wurden: taz-LeserInnen offenbarenihre katastrophalsten, erschütterndsten, traumatisierendsten Weihnachtserlebnisse
Ein Cognac zur Versöhnung
Für Elli sollte es das Fest der Feste werden. Einen Tag vor Weihnachten hatte Johann ihr mitgeteilt, dass er sie nach 17 Ehejahren für seine Jugendliebe verlassen werde. Am 24. gegen 18 Uhr wollte er seine Sachen abholen.
Für Elli war Johann schon lange nicht mehr der Mann, für den man sich zum Fest der Liebe Chinchilla-Halskrause, Netzstrümpfe und Strass-Slip anzieht. Aber wollte sie ihn diesem dauergewellten Skippy-Klon überlassen? Noch genau 24 Stunden! Aus dem Radio ertönte „I‘m a loser Babe, so why don‘t you kill me!“ Dabei kam ihr die Idee.
Schluchzend rief sie ihre Eltern und sämtliche Freundinnen an, um ihnen mitzuteilen, was Johann ihr angetan hatte. Die Reaktionen erfolgten nach ihren Berechnungen: Heiligabend, spätestens ab acht, würde sie die Bude voller Trostspender haben.
Punkt sechs tauchte Johann auf und packte. Charmant bat sie ihn auf einen Abschiedsdrink in die Küche und goss ihm den vorgewärmten Cardenal Mendoza ein. Auch die Cohiba lag bereit. „Lass es uns friedlich beenden“ wollte sie soeben sagen, als sie von der Wucht der Explosion fast vom Stuhl geflogen wäre. Wie vorhergesehen hatte er sich nach dem ersten Schluck Cognac (der diverse Zusatzstoffe enthielt) die Cohiba gegriffen (deren Innenleben geheim bleibt). Johann löste sich in eine Rauchwolke auf.
Durch sein Endlosgesülze war es spät geworden, sie musste sich beeilen. Gerade als sie die letzte Schaufel voll Asche anhob, fiel ein größerer Klumpen zu Boden und glitt unter den Küchentisch. Mit Entsetzen sah sie, dass Johanns Brustkorb wie eine zu kross gebratene Gans unterm Tisch lag. Die Klingel zwang sie zu raschem Handeln. Hastig schob sie den Rumpf in den Backofen. Ihre Freundin Claudia stand mit drei Flaschen Rotwein vor der Tür. „Bei dir riecht‘s ja lecker. Dass Du überhaupt noch Nerv zum Kochen hast?“
Sie deckten den Tisch. „Aber dass er dir grad Heiligabend von der Schippe springt?“ „Das war eine böse Überraschung!“ rief Elli auf dem Weg zur Tür. Kira, Silke und eine Flasche Grappa waren gekommen. Beide brachen in Ekstase aus, als Claudia das Blech aus dem Ofen holte: „Scheint durch zu sein.“ Wieder klingelte es. Dagmar und Dieter rumpelten mit einer Schüssel Nudelsalat in die Wohnung. Die Tür war noch nicht wieder im Schloss, da steckte Marion den Kopf hinein: „Na Süße? Schon halbwegs verdaut?“
Claudia schabte gerade den Brustkorb aus, um die „leckere Füllung“ auf die Anwesenden zu verteilen. Arlette Andrae
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