Archäologie im Iran: "Dialog lohnt sich auf jeden Fall"
Seit mehr als zehn Jahren forscht Barbara Helwing vom Deutschen Archäologischen Institut (DAI) auch im Iran. Mit Sorge sieht sie die aktuellen Spannungen.
taz: Sie haben in Teheran drei MitarbeiterInnen. Aber nun arbeiten Sie selbst schon seit vier Jahren in Berlin. Weil sich das politische Klima verschlechtert?
Barbara Helwing: Wenn ich in der Zeitung von der iranischen Drohung lese, die Straße von Hormus zu sperren, frage ich mich natürlich, ob es sich wirklich lohnt, mich einen Monat lang hinzusetzen, um einen DFG-Antrag für ein Projekt dort zu schreiben. Schon seit 2000 bekommen wir unsere Visen immer nur auf Zeit. Jetzt hat unsere Zusammenarbeit aber aus einem anderen Grund gelitten. Unsere Hauptpartnerin, die Antikenbehörde, wurde umstrukturiert. Die Zuständigkeiten dort und die anteilige Finanzierung gemeinsamer Projekte seitens der Regierung sind unklar. Aber die iranische Botschaft lädt mich ein, zurückzukehren. Außerdem betreue ich in Tübingen iranische Gaststudenten als Doktoranden.
Wer studiert im Iran Archäologie?
Unter der jungen Generation iranischer Archäologen sind viele Frauen. Sie lesen viel und kamen in Teheran unglaublich gut vorbereitet in meine Lehrveranstaltungen. Ich hatte dabei viel Spaß. Außer dem reinen Stoff habe ich auch anderes transportiert: Wie diskutiert man? Wie hält man persönliche und sachliche Kritik auseinander?
(47) ist seit dem Jahre 2000 Leiterin der Außenstelle Teheran der Eurasien-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI), einer Forschungseinrichtung im Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Ihre Stellung erfordert eine Gratwanderung zwischen Feldforschung und Diplomatie. Geografisch gesehen, stützt sich die Spezialistin für vorderasiatische Archäologie dabei auf vier Standbeine: je eine Wohnung in Teheran und in Berlin, dazu habilitierte sie sich 2008 in Tübingen und lehrt dort, seit 2009 leitet sie außerdem Grabungen in Aserbeidschan. (bk)
Ihre Außenstelle wurde 1961 gegründet. Das Berliner Museum für islamische Kunst zeigt zu deren Jubiläum gerade die Ausstellung: "Teheran 50". Aber diese Arbeiten waren auch lange unterbrochen.
Während einer Periode von weniger als 10 Jahren nach der Revolution 1979 mussten sich die Archäologen im Iran den Vorwurf gefallen lassen, nur an der Geschichte der Herrschenden interessiert zu sein, weil sie Paläste ausgegraben hatten. Trotzdem wurden diese Denkmäler gepflegt. 1991 besuchte dann der damalige Präsident Rafsandschani die Ruinen von Persepolis. Er schrieb ins Gästebuch, wie stolz er sich fühle, als Iraner Nachfahre jener Menschen zu sein, die etwas so Großartiges gebaut hatten.
Für den Stolz der Iraner waren dann wohl die Ausgrabungen in Arisman wichtig?
"Teheran 50. Ein halbes Jahrhundert deutsche Archäologen in Iran": Die Sonderausstellung anlässlich der Gründung der Außenstelle des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) 1961 zeigt die Arbeiten und Geschichte der deutschen Archäologen im Iran.
Ort und Zeit: Die Ausstellung im Museum für Islamische Kunst, Pergamonmuseum, Am Kupfergraben 5, 10117 Berlin ist noch bis zum 4. März 2012 zu sehen. Infotelefon: (0 30) 2 66 42 42 42
Dieser Fundort war wegen seiner Schlackenhalden zuerst einem örtlichen Lehrer aufgefallen. Dem späteren Präsidenten des DAI, Hermann Parzinger, zeigte man den Platz bei einem Ausflug. Er leitete ab 2000 das Feldforschungsprojekt in Arisman. Zwischen 3100 und 2900 begann dort die industrielle Produktion von Kupfer in großem Stil, beruhend auf einer neuen Ofentechnik. Die hohe Hitze lieferte das außergewöhnlich harte Holz eines Wüstenrandbaumes namens Saxaul. Der Fernhandelsweg führte wahrscheinlich bis nach Mesopotamien.
Seit wann wurden Deutsche dann zielstrebig eingeladen?
Im Jahre 2005 bat die iranische Antikenbehörde erstmals ausländische Archäologen um Unterstützung, und zwar für eine Notgrabung in Darre-ye Bolaghi in der Provinz Fars. Dort sollte ein Tal durch den Sivand-Stausee überflutet werden. Teams aus Polen, Japan, Frankreich, Deutschland und natürlich Iran haben es in zwei Jahren sehr intensiv durchforscht.
Wieder eine Produktionsstätte von internationalem Rang?
Eines Tages haben die Menschen dort neue Typen von Brennöfen entwickelt und um 5000 v. Chr. ungeheure Mengen von Keramik produziert. Ähnlich bemalte Keramik gab es auch im Südwesten des Iran, in Mesopotamien und auf dem iranischen Hochplateau. Viele Gefäße zeigten Bergziegen als Muster, allerdings mit markanten Unterschieden in den Regionen. Neben den Öfen fanden wir Töpfereiabfälle, die alle diese Stilrichtungen aufwiesen. Man hat also vermutlich für verschiedene Märkte produziert.
Sie leisteten zunehmend Hilfestellung für iranische Projekte?
In Darre-ye Bolaghi haben wir zum Beispiel für die dortigen Verhältnisse Methoden entwickelt, um herauszufinden, wo archäologische Fundstätten liegen. Dabei kooperierten wir mit dem Iraner Dr. Mohsen Makki vom Institut für Geografie an der Humboldt-Uni, ebenso mit Geophysikern unter der Leitung von Dr. Baoquan Song von der Ruhr-Uni Bochum.
Haben Sie bei Ihren Grabungen in Zelten gewohnt?
In Tape-Sialk, 60 Kilometer entfernt von Arisman, habe ich zwei Winter lang mit einem komplett iranischen Team aus 20 Leuten gearbeitet. Wir lebten dort in zwei Häusern, nach Männern und Frauen getrennt, damit wir Frauen uns nach Feierabend ein wenig von den Kopftüchern erholen konnten. Die örtliche Bevölkerung war sehr kontaktfreudig. Der Iran wird hier immer grau in grau geschildert. In Wirklichkeit ist er aber ein sehr buntes Land. Nicht nur in der Kunst und im Film, sondern auch in der Alltagskultur gibt es viele Versuche, sich mit dem Rest der Welt auseinanderzusetzen. Ein Dialog lohnt sich auf jeden Fall.
Und was machen Sie in Aserbeidschan?
Ich verhunze mir mein Türkisch. In den 1990er Jahren habe ich in der Türkei gegraben und gelehrt. Aserbeidschanisch ist ja auch eine Turksprache. Sie ist aber doch ganz eigentümlich. Aber im Ernst: Seit 2009 betreibe ich dort zusätzlich Feldforschung in dem jungsteinzeitlichen Fundort Kamiltepe. Dorthin begleitet mich auch mein Mann. Als Informatiker kann er an seinen Projekten ja überall in der Welt arbeiten. Unser Grabungsort liegt im Zwickel der beiden Flüsse Araxes und Kura nahe der iranischen Grenze. Diese Grenze hat in der Antike ja nicht existiert. Inhaltlich ergänzen diese Forschungen unsere Kenntnis über die Jungsteinzeit in Nordwestiran. Ich wünschte mir ein Projekt, das beide Länder zueinander in Beziehung setzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren