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Arbeitsrichter erlauben FlashmobsKollektiver Unsinn als Streikmittel

Nun haben es die Gewerkschaften schriftlich: Sie dürfen Flashmobs im Arbeitskampf einsetzen. Damit werden die Happenings aus dem Internet wohl professionell politisiert.

Flashmob in Geschäften hat fast schon Tradition. Jetzt will Ver.di die Methode öfter anwenden. Bild: dpa

FREIBURG taz | Scheinbar spontane Menschenaufläufe in Geschäften können ein zulässiges Mittel im Arbeitskampf sein, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) im September. Jetzt legten die Richter ihre Begründung zu diesem umstrittenen Urteil vor. Demnach sind sogenannte Flashmobs zur Unterstützung von Streiks erlaubt, solange Gewerkschaften damit nur die eigene Schwäche ausgleichen.

Ursprünglich waren Flashmobs unpolitische Happenings. Einem Aufruf aus dem Internet folgend trafen sich Leute in der Öffentlichkeit, um gemeinsam scheinbar sinnlose Dinge zu tun. Ein bekanntes Beispiel ist die Kissenschlacht vor dem Kölner Dom im April dieses Jahres.

Doch auch Politgruppen und Gewerkschaften haben das Potenzial von Flashmobs erkannt. So orderte die Gewerkschaft Ver.di vor zwei Jahren im Rahmen eines Einzelhandelsstreiks rund 40 Mitglieder und Sympathisanten per SMS-Kurznachricht in eine Berliner Filiale des Discounters Rewe. Das Geschäft sollte eigentlich bestreikt werden, doch hielten Verkäuferinnen, die nicht der Gewerkschaft angehören, den Betrieb aufrecht. Die Aktivisten machten in dem Laden nun allerlei störenden Unsinn. Sie füllten Einkaufswagen und ließen sie stehen oder erklärten erst nach dem Eintippen an der Kasse, dass sie leider den Geldbeutel vergessen hätten. Die Aktion dauerte rund eine Stunde. Einzige Vorgabe der Gewerkschaft: es sollte keine Frischware in die Einkaufswagen gepackt werden.

Der Handelsverband Berlin-Brandenburg (HBB) reagierte empört und wollte Ver.di solche Flashmobs verbieten lassen. Doch die Arbeitgeber verloren den Prozess in allen drei Instanzen, zuletzt beim Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Flashmobs seien im Arbeitskampf nicht verboten, auch wenn es sich um eine neue Kampfform handele. Eine Gewerkschaft dürfe auch neue Ideen aufgreifen, um die Arbeitgeber unter Druck zu setzen.

Allerdings müsse die Gewerkschaft jeweils als Initiatorin des Flashmobs erkennbar sein. Dazu genüge es, wenn die Teilnehmer Gewerkschaftswesten oder -Anstecker tragen oder entsprechende Flugblätter verteilen. Der Arbeitgeber müsse wissen, von wem er angegriffen werde, so die Richter.

Wenn die Störer erkennbar seien, könnten sie auch unter Berufung auf das Hausrecht gezielt des Ladens verwiesen werden. Wer trotzdem bleibe, mache sich wegen Hausfriedensbruch strafbar, so das Bundesarbeitsgericht. Außerdem könne der Arbeitgeber den Laden ja auch kurzfristig schließen, zum Beispiel wenn er die vollgepackten Einkaufswagen erst zu spät entdeckt und nun die Ware wieder einräumen will.

Auf dieses Argument reagierte die Arbeitgeberseite empört. Es sei doch keine Verteidigungsmöglichkeit, den eigenen Laden dichtzumachen, denn dadurch habe die Gewerkschaft genau das erreicht, was sie wolle. Der Handelsverband will nun eventuell vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. "Wir werden das noch vor Weihnachten entscheiden", sagte HBB-Hauptgeschäftsführer Niels Busch-Petersen gestern zur taz.

In Karlsruhe werden die Arbeitgeber aber wohl kaum Erfolg haben. Denn das Erfurter Gericht hat Flashmobs nicht generell zugelassen, sondern nur zur Sicherung der Kampfparität, also wenn die Gewerkschaft in einer Branche zu schwach ist, um wirkungsvoll zu streiken. Eine kurze Ladenschließung als Folge eines Flashmobs dürfte dann genauso verhältnismäßig sein wie ein Streik, der ja auch auf eine Unterbrechung der Geschäfte zielt. (Az.: 1 AZR 972/08)

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6 Kommentare

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  • F
    Fau

    wir sind eher wieder in den 30er angekommen, in jenen Jahren als Gewerkschaften verboten wurden.

     

    So ist die Freien ArbeiterInnen Union Berlin (FAU) am 11.12.2009 per einstweiliger Verfügung vom Landgericht Berlin verboten worden, sich als Gewerkschaft oder Basisgewerkschaft zu bezeichnen.

    Es ist ein Novum in der deutschen Rechtsprechung, dass einer Organisation verboten wird sich als Gewerkschaft zu bezeichnen.

     

    http://www.fau.org/artikel/art_091212-141820

  • S
    schlegel

    Die Aktionen der Gewerkschaften haben wenig bis nichts mit den ursprünglichen Flashmobs zu tun. Wo eigentlich der Spass im Vordergrund stehen sollte (so dass auch die "Geschädigten" darüber lachen können) ist jetzt die Störung als Kampfmittel das Ziel. Das können die Gewerkschaften gerne tun, nur sollten sie ihre Aktionen als das bezeichnen was sie auch sind.

     

    Abgesehen davon ist das Thema "Flashmob" ja wohl auch durch. Neues gibt schon lange nicht mehr und die bekannten Aktionen werden auch nicht lustiger, wenn man sie immer wiederholt. Das die Gewerkschaften und andere Konzerne ihre Aktionen so bezeichnen, ist dafür Indiz genug.

  • MH
    Martin Haase-Thomas

    Heißt das, das BAG hat die Vorgehensweise von Goebbels und der SA im Berlin der 20er nachträglich gutgeheißen? Oder missverstehe ich das, und es gibt demokratisch legitimierte und faschistische Mobs, also gute und böse? Ich bin gespannt, wie sich die Dinge entwickeln, wenn sich die Jungs vom selbsternannten "Nationalen Widerstand" dieses Urteil anschauen.

    Das Urteil ist absurd.

  • H
    Hagen

    Die Teilnehmer müssen Gewerkschaftswesten tragen bzw. sich erkennbar machen??

     

    Welchen Sinn macht die ganze Aktion, wenn jeder Teilnehmer sofort des Ladens verwiesen werden kann, bevor der Einkaufswagen gefüllt ist? Da muss sich doch nur jemand an den Eingang stellen und Hausverbote verteilen...

     

    Wieder mal ein Urteil, wie es deutscher nicht sein könnte.

  • SL
    Sam Lowry

    Flashmobs sind nicht nur total cool, sondern in meinen Augen "New Art"...endlich mal ein vernünftiges Urteil. Danke, hohes Gericht :-)

  • D
    denninger

    Hurra, wir sind wieder in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts angelangt.

    Ist Euch denn schon der Gedanke gekommen, dass nun auch die Arbeitgeberseite "Flashmobs" einsetzen kann und sicherlich auch wird?

    Jetzt noch schnell den Ausdruck ins Deutsche übersetzen et voilà haben wir wieder die guten alten Rollkommandos.