Arbeitsmarkt im Umbruch: Schwere Zeiten stehen bevor
Im September waren offiziell weniger Menschen arbeitslos als im August – aber deutlich mehr als vor einem Jahr. Währenddessen kündigen die Unternehmen weiteren Jobabbau an.
BERLIN taz | Der befürchtete Einbruch auf dem deutschen Arbeitsmarkt bleibt vorerst aus: Die offizielle Zahl der Erwerbslosen sank im September im Vergleich zum August um 125.000 auf 3,346 Millionen, teilte die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Mittwoch in Nürnberg mit. Dies sei "jedoch keine Trendwende", sagte BA-Chef Frank Jürgen Weise, sondern die "saisonübliche Herbstbelebung". Im Vergleich zum September 2008 seien 226.000 Menschen mehr arbeitslos.
Analysten erwarten, dass dem deutschen Arbeitsmarkt mit Beginn des Winters noch schwere Zeiten bevorstehen. "Wir gehen davon aus, dass die Arbeitslosigkeit im Jahresdurchschnitt von 3,5 auf 4,1 Millionen im Jahr 2010 steigen wird", sagte Analyst Stefan Mützke von der Landesbank Hessen-Thüringen. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft rechnet in seiner jüngsten Prognose für 2010 mit durchschnittlich 4,2 Millionen Arbeitslosen.
"Die schlechte Entwicklung liegt noch vor uns", schätzt Allianz-Volkswirt Rolf Schneider. Und auch Marco Bangel von der Postbank erklärte: "Die Regelung zum Kurzarbeitergeld und auch statistische Effekte durch die Umgliederung der Arbeitslosen verzerren das Bild." Die auf 24 Monate verlängerte Bezugsdauer beim Kurzarbeitergeld durch die BA gilt noch bis Ende 2010. Bislang wurde die Regelung, bei der die BA 60 Prozent des durch Kurzarbeit verursachten Nettolohnausfalls übernimmt, für 1,4 Millionen Beschäftigte in Anspruch genommen. Nach Angaben der BA werden so etwa 400.000 Vollzeitstellen gesichert. Seit Frühjahr 2008 seien deswegen insgesamt erst 100.000 Arbeitsplätze durch die Krise verloren gegangen.
Allerdings kündigen deutsche Großunternehmen jetzt wieder neue Stellenstreichungen an. Siemens sieht für seine drei Kernsektoren Industrie, Gesundheit und Energie im kommenden Jahr noch keine Belebung. Die Auftragseingänge von Deutschlands größtem Industriekonzern werden auch im vierten Quartal gut ein Fünftel unter dem entsprechenden Vorjahreswert liegen, erklärte Siemens-Finanzvorstand Joe Kaeser. Der Konzern müsse darauf mit dem Abbau seiner Kapazitäten reagieren. Wie viele Arbeitsplätze konkret betroffen sind, ließ Kaeser allerdings offen. Mit der Erholung der Nachfrage rechnet Kaeser erst "im Laufe des Jahres 2011". Seit Sommer 2008 hat Siemens weltweit bereits 17.000 Stellen abgebaut. Ende Juli kündigte Siemens-Chef Peter Löscher den Wegfall von weiteren 1.600 Jobs an.
"Vor allem im Maschinenbau und der Automobilindustrie gibt es große Überkapazitäten", sagt Unicredit-Volkswirt Alexander Koch. So stellt sich Deutschlands wichtigster Autozulieferer Bosch auf eine jahrelange Durststrecke ein. Der Konzernumsatz werde 2009 um 15 Prozent auf 38 Milliarden Euro einbrechen, kündigte Bosch-Chef Franz Fehrenbach jüngst an. 100.000 der weltweit insgesamt 270.000 Bosch-Mitarbeiter seien noch in Kurzarbeit. Allein in der Autosparte seien laut Fehrenbach 8.000 Stellen überflüssig. "Insgesamt könnte es noch bis 2012 dauern, bis wir das Niveau von 2007 erreicht haben", sagte Fehrenbach.
Auch die Deutsche Bank will einem unbestätigten Bericht von "Welt Online" zufolge rund 1.300 Stellen im Inland streichen. Betroffen sei vor allem der Privat- und Geschäftskundenbereich. Rund 800 interne Stellen sollen wegfallen, weil die Kontenverwaltung in eine neue Servicegesellschaft ausgelagert werde. Weitere Personaleinschnitte soll es beim Geschäft mit vermögenden Privatkunden sowie der konzerninternen IT-Sparte geben.
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