piwik no script img

Arbeitslosigkeit und ZeitarbeitDie Irrfahrten des Rolf B.

Wie ein Langzeitarbeitsloser in die Mühle von Jobcenter, Arbeitsvermittlung und Zeitarbeitsfirma gerät - und am Ende alle davon profitieren außer ihm selbst.

Das Amt zahlt für eine Vermittlung an eine Zeitarbeitsagentur und der gerade in Arbeit gebrachte steht schnell wieder auf der Straße. Bild: dapd, Mario Vedder

Eigentlich sollen private Arbeitsvermittler Langzeitarbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt vermitteln. Dafür können sie vom Arbeitsamt bis zu 2.000 Euro kassieren. Häufig vermitteln die Vermittler ihre "Kunden" allerdings nicht in richtige Jobs, sondern an Zeitarbeitsfirmen, die ihre "Angestellten" dann wiederum weitervermitteln. Oder auch nicht - und ihnen gleich wieder kündigen, wenn einmal kein Einsatz naht. So erging es auch Rolf Becker*, den seine Suche nach Arbeit am Ende sogar mehr gekostet hat, als wenn er weiter Hartz IV bezogen hätte.

Nach drei Jahren Arbeitslosigkeit und mehreren Ein Euro Jobs in verschiedenen Vereinen wollte Becker endlich wieder in den ersten Arbeitsmarkt. Doch seine zahlreichen Bewerbungen fruchteten nichts und so ließ er sich von seinem Sachbearbeiter im Jobcenter einen Vermittlungsgutschein ausstellen und wandte sich an eine private Arbeitsvermittlerin. "Das Gespräch mit ihr dauerte nicht einmal zehn Minuten, dann hat sie mir einen Vermittlungsvertrag angeboten." Gleich am nächsten Tag klingelte sein Telefon und die Vermittlerin gab ihm Bewerbungstermine - ausschließlich bei Zeitarbeitsfirmen, die ihre Mitarbeiter an Call-Center verleihen. Obwohl Becker es verrückt fand, für 2.000 Euro an eine Zeitarbeitsfirma vermittelt zu werden, nahm er gleich am nächsten Tag einen Job an, weil er dringend Geld brauchte.

"Mein erster Einsatz ging gleich los. Callcenter-inbound, nichts tolles, aber ich habe so etwas schon einmal gemacht. Irgendwie bin ich aber nicht gut angekommen und nach zwei Wochen wollte man mich nicht übernehmen." Und obwohl seine Zeitarbeitsfirma "Olympia Personaldienstleistungen" nach einer Lücke von zwei Wochen einen weiteren Einsatz für Becker hätte, wurde ihm umgehend gekündigt. Bis zum Eintreten der Kündigung wurde er auf unbezahlten Urlaub geschickt.

Becker meldete sich umgehend wieder arbeitslos. Die Zeitarbeitsfirma schickte ihn fast jeden Tag zu einem neuen Gespräch in verschiedene Call-Center. Eine teure Angelegenheit für den Arbeitslosen, denn Fahrt- und Bewerbungskosten übernahmen, anders als zuvor das Arbeitsamt, weder die Zeitarbeitsfirma noch die private Arbeitsvermittlung. Trotzdem findet man beim Arbeitsamt nichts dabei, 2.000 Euro an eine Vermittlungsagentur zu bezahlen, die Arbeitslose an Zeitarbeitsfirmen vermittelt, die diese wiederum entlässt, sobald sie keine Beschäftigung für sie hat. "Eine Vermittlung an Zeitarbeitsfirmen ist regulär und entspricht der Gesetzeslage, solange es zu einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis durch die Vermittlung kommt", sagt Uwe Mählmann von der Pressestelle des Arbeitsamtes. Bei der Zeitarbeitsfirma Olympia Personaldienstleistungen wiederum beteuert man, dass Mitarbeiter "nur im Einzelfall" in unbezahlten Urlaub geschickt würden. Ansonsten sei man ein ganz gewöhnliches Unternehmen. Hauptqualifikationen für eine Anstellung seien eine angenehmen Telefonstimme und grundlegende Computerkenntnisse.

Und so liest sich die Bilanz der Arbeitssuche für Becker folgendermaßen: die private Arbeitsvermittlung hat die Option auf den Vermittlungsgutschein, die Zeitarbeitsfirma hat mit ihm Geld verdient, und er selbst steht nach zwei Wochen Zeitarbeit mit weniger Geld da, als hätte er weiterhin Hartz IV bezogen.

Klaus Abel, Sprecher der IG Metall Berlin, sind solche Vorgänge bekannt. "Leider kommt so etwas immer wieder vor. Seit dem Wegfall des Synchronisationsgesetzes, dass früher die sofortige Entlassung bei einer Zeitarbeitsfirma verhindert hat, ist es in vielen Zeitarbeitsfirmen Praxis geworden, sofort zu kündigen, wenn nicht gleich ein anderer Einsatz gefunden werden kann. Nimmt man noch die häufige Ungleichbehandlung der Zeitarbeiter in den Betrieben hinzu, ergibt sich ein wirklich unhaltbarer Zustand."

Becker hat sich am Ende dennoch entschlossen, die Zähne zusammen zu beißen und nach seinem erzwungenen Aussetzen bei der Zeitarbeitsfirma weiter zu machen, wenn der nächste Job anfängt, den diese für ihn zu haben scheint. "Ich brauche das Geld", sagt er. "Aber noch einmal so von einem zum anderen gereicht zu werden, um am Ende mit weniger Geld dazustehen, darauf kann ich wirklich verzichten."

*Name geändert

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • P
    PAV

    Liebe Taz-Redakteure, was soll dieser sinnlose Krawallbolzen gegen die privaten Arbeitsvermittler?

    1. wird der Vermittlungsgutschein in zwei Raten ausgezahlt, nämlich nach 6 Wochen 1000 Euro (brutto) und den Rest nach 6 Monaten Beschäftigung. Nach dieser Schilderung hier, 2 Wochen Beschäftigung und 2 Wochen Kündigungsfrist, konnte der Gutschein gar nicht eingelöst werden. Hat nix gekostet, PAV hat nix verdient.

    2. halten sehr viele erfolgreich Vermittelte sehr viel vom Vermittlungsgutschein. Immerhin ist dieses arbeitsmarktpolitische Instrument mit einer Verbleibsquote von 50 % (=Probezeit überstanden) das erfolgreichste in Deutschland. Die Hälfte betrifft Langszeitarbeitslose, die aus Hartz-4 geholt werden. Was ist daran auszusetzen? Von 120.000 Hartz-4-Empfängern, die netto letztes Jahr von den Ämtern vermittelt wurden, kommt jeder 4. auf das Konto der privaten Arbeitsvermittlung.

    Ist es Sozialneid, wenn man die Summe von 2000 Euro hört? Hallo, da gehen die Umsatzsteuer ab, Büromiete, Internet, Telefonkosten, Krankenversicherung, Rente, Betriebshaftpflicht, Aktenvernichtung, Papier, die Softwaremiete für die Datenbank, Beiträge in Berufsverbänden und gar noch Personal- und Azubikosten und vieles mehr. Da kommt man selbst allein schnell auf einen Mindestumsatz von 3000 Euro im Monat, erst danach kann man sich mal ne Mark rausnehmen.

    3. Nobelpreis für Wirtschaft 2010: Im Ergebnis wird eine effizientere Arbeitsvermittlung gefordert - und die haben wir in Deutschland - auch und gerade durch die privaqten Arbeitsvermittler.

    4. Es gibt viele Drückeberger die die Tatsachen verdrehen. Ich glaube Euerm Informanten kein Wort.

  • F
    FAXENDICKE

    Genau wie bei den meisten Umschulungen, Fort-und Weiterbildungen in Bereiche die von der Wirtschaft garnicht abverlangt werden, ist auch dies wiederum nur ein neues vom Gesetzgeber, auf Lobbyistendruck hin, geschaffenes System um staatliche Gelder bzw. Steuergelder zum Wohle einiger Weniger zu privatisieren. Nebenbei läßt sich auch noch die Arbeitslosenstatistik frisieren.