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Arbeitslos in letzter Instanz

„Mobbing-Opfer“ verzichtet nach Rechtsstreit auf Job und „Rehabilitation“  ■ Von Stefanie Winter

Seit fünfeinhalb Jahren prozessiert Käte B. mit ihrem Arbeitgeber, der „Stiftung berufliche Bildung“. Bisher in allen Instanzen erfolgreich, sagt sie. Gestern stimmte die Soziologin dann vor dem Landesarbeitsgericht einem Vergleich zu. Die bereits im Februar 1994 ausgesprochene Kündigung wird zum Februar des kommenden Jahres wirksam, abgefunden wird die 50jährige mit 14 Monatsgehältern, rund 100.000 Mark. Die Gründe: „betriebliche“.

Erstmals, und zwar fristlos, wurde Käte B. im Mai 1991 gekündigt. Wegen „Störung des Betriebsfriedens“ und „grober Beleidigung“. Der damaligen stellvertretenden Abteilungsleiterin B. war zu Ohren gekommen, daß ihr Kollege andere Mitarbeiterinnen mit Fragen über deren Sexualleben behelligt hatte und ging dagegen vor. Als Käte B. die Äußerungen des Kollegen später einem Journalisten gegenüber als „sexuelle Belästigung“ charakterisierte, folgte die zweite fristlose Kündigung, nun zusätzlich noch mit „öffentlicher Verleumdung“ begründet.

In einem offenen Brief des Geschäftsführers sei sie dann des Rufmords an dem Kollegen bezichtigt worden – „ohne die betroffenen Damen zu fragen“. Sie selbst fühlte sich gemobbt, zu Unrecht diskriminiert und drängte – jahrelang und vergeblich – auf „Rehabilitation“. Die meisten Kollegen hätten sich von ihr abgewandt, sie erkrankte immer häufiger, ihr wurden gering qualifizierte Arbeiten zugeteilt.

Und sie habe auch davon nur wenig erledigt, meinte die Arbeitgeberseite gestern vor Gericht. Käte B. fühle sich gekränkt durch einen Vorfall in der Vergangenenheit, den sie nicht verarbeitet habe. Sie sei oft krank, bestimmte Projekte könnten ihr daher nicht übertragen werden. „Ein Teufelskreis.“ 1994 wird ihr zum dritten Mal gekündigt, diesmal fristgerecht und „sozial gerechtfertigt“ wegen häufiger Krankheit.

Ein ärztliches Gutachten erkennt die Ursache der Erkrankungen in den Konflikten am Arbeitsplatz; es liege kein chronisches Krankheitsbild vor, eine Stabilisierung sei möglich. Doch die Situation am Arbeitsplatz blieb die gleiche und die Häufigkeit der Krankheitstage auch. Ob es nicht sinnvoller wäre, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, fragte die Richterin. „Eine Chance für die Klägerin, gesund zu werden und zu bleiben bei einer angemessenen Beschäftigung sehen wir nicht.“ Eine Abfindung im „oberen Bereich“ stellte das Gericht für diesen Fall in Aussicht. Und warnte, daß eine „ordentliche, sozial gerechtfertigte Kündigung“ durchaus vorliegen könne.

Auch die Vertreter der Stiftung, die Qualifizierungsmaßnahmen für „bildungsbenachteiligte Erwerbslose“ entwickelt und anbietet, halten dies für die einzige Lösung. Käte B. stimmte auf Anraten ihres Anwalts zu. Irgendwann, sagt sie, reiche die Kraft nicht mehr aus. Zu lange schon sei ihr Leben ausschließlich um die Probleme am Arbeitsplatz gekreist. Und vor Gericht hätte sie dieses Mal wohl „verloren“. Einen neuen Arbeitsplatz zu finden, erwartet sie nicht.

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