Arbeitskampf: Senat macht keinen guten Job
Am Dienstag streiken die studentischen Hilfskräfte für mehr Lohn. Das Land Berlin ist oft ein prekärer Arbeitgeber – nicht nur an den Unis.
Seit 17 Jahren sind die studentischen Hilfskräfte an den Berliner Hochschulen ohne Lohnerhöhung – nun rufen Verdi und die Bildungsgewerkschaft GEW für Dienstagnachmittag um 14 Uhr zum Warnstreik auf den Bebelplatz vor der Humboldt-Universität. Nach fünf Verhandlungsrunden, in denen sich die Arbeitgeber „kaum bewegt“ hätten, wolle man nun „den Druck erhöhen“, heißt es seitens der GEW.
Der Tarifvertrag der studentischen Hilfskräfte ist, im Gegensatz zum Tarifvertrag für die übrigen Hochschulbeschäftigten, nicht an die Lohnentwicklung im öffentlichen Dienst angebunden. Die Folge: Seit Jahren dümpelt der Stundenlohn der beim Land beschäftigten studentischen Hilfskräfte bei 10,96 Euro – trotz inzwischen deutlich gestiegener Lebenshaltungskosten.
Nun ist der rot-rot-grünen Koalition das Thema „gute Arbeit“, so steht es zumindest im Koalitionsvertrag, ein wichtiges Anliegen. Zwar haben die Hochschulen eine sogenannte Tarifautonomie. Dennoch hat der Senat in die im vorigen Jahr abgeschlossenen Hochschulverträge, die den Finanzrahmen für die elf staatlichen Unis und Fachhochschulen bis 2022 abstecken, hineingeschrieben: Bei der Bezahlung ihrer studentischen Beschäftigten müssen sich die Arbeitgeber „regelmäßig“ an der Entwicklung der realen Lebenshaltungskosten orientieren.
Doch darüber, wie das genau aussehen soll, diskutieren Studierende und Hochschulen nun seit fast einem Jahr. Das letzte Angebot der Arbeitgeberseite sah eine dreistufige Lohnerhöhung bis auf 12,50 Euro ab 2022 vor. Die Gewerkschaften hingegen fordern einen Stundenlohn von 14 Euro – vor allem aber eine Anbindung an den Tarifvertrag der Länder, kurz TV-L, nach dem das Land Berlin seine Angestellten bezahlt. Der sieht rund zwei Prozent Tarifsteigerung pro Jahr vor.
Prekär I: Honorarkräfte
Doch nicht nur bei den studentischen Hilfskräften tritt das Land, allen Absichtserklärungen im Koalitionsvertrag zum Trotz, als prekärer Arbeitgeber in Erscheinung. Da sind zum Beispiel die Honorarkräfte an Volkshochschulen und Musikschulen. Rot-Rot-Grün will sie besser bezahlen, zudem will man den Anteil der Festangestellten bis 2021 auf 20 Prozent erhöhen. Für arbeitnehmerähnliche Beschäftigte – also solche Honorarkräfte, die ihr Geld überwiegend mit einem Arbeitgeber verdienen – hat die Koalition außerdem „eine tarifvertragliche Regelung“ angekündigt.
Während es in puncto Festanstellungen in den Musikschulen zuletzt Bewegung gab – das Land steuerte 1,2 Millionen Euro Finanzmittel nach, mit denen die Bezirke die 20-Prozent-Quote realisieren sollen –, ist das Ansinnen auf eine „tarifvertragliche Regelung“ quasi beerdigt: Einen entsprechenden Antrag der Finanzverwaltung wies die Tarifgemeinschaft der Länder, kurz TdL, zurück.
Andreas Köhn, der bei Verdi für den Bereich Medien, Kunst und Industrie zuständig ist, sagt: „Unser Eindruck ist, dass der Antrag mit nicht gerade viel Inbrunst bei der TdL eingebracht wurde.“ Köhns Vermutung: „Eine solche tarifvertragliche Regelung wäre einmalig für Honorarkräfte. Vielleicht wollte man keinen Präzedenzfall schaffen.“
Ein Sprecher von Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) betont, „konkrete Abstimmungsergebnisse“ in der Tarifgemeinschaft der Länder würden grundsätzlich nicht öffentlich gemacht. Aber: „Ungeachtet dessen steht der Senat zu seiner Absicht, die Bedingungen für die arbeitnehmerähnlichen Honorarkräfte an den Volkshochschulen und Musikschulen zu verbessern.“ Nun verhandeln die Gewerkschaften mit den zuständigen Fachverwaltungen und der Finanzverwaltung aber nur noch über „Verbesserungen“ der bestehenden Honorarvereinbarungen, teilt Kollatz-Ahnens Sprecher mit.
Keine Tarife für Honorarkräfte
Im Klartext heißt das: Die Hoffnung auf eine „tarifvertragliche Regelung“ hat sich bis auf Weiteres erst einmal erledigt.
Die laut Verdi etwa 1.800 Honorarkräfte der Berliner Musikschulen bekommen im Schnitt 20,86 Euro Stundenlohn. Eine prekäre Existenz: Laut Gewerkschafter Köhn ist die Mehrheit im Alter auf Grundsicherung angewiesen. Die Honorare regelt seit Jahren eine „einseitige Ausführungsvorschrift“ des Landes, bei der die Gewerkschaften keine Mitsprache haben.
Bei den Volkshochschulkräften wurde das Ansinnen auf eine tarifvertragliche Regelung für die arbeitnehmerähnlichen Honorarkräfte seitens der TdL ebenfalls abgeschmettert. Laut GEW hätte eine solche Regelung Verbesserung für bis zu ein Viertel der rund 4.100 freiberuflichen Kursleiter an den Volkshochschulen bedeutet.
Ihr Stundenlohn beträgt pro 45 Minuten Unterrichtsstunde je nach Qualifikation zwischen 16,50 Euro und immerhin 42 Euro. Seit dem 1. Januar gibt es laut Verdi-Mann Köhn zwar im Schnitt zwei Euro mehr pro Unterrichtsstunde. „Wir brauchen aber Dauerstellen für Daueraufgaben, nicht Kamelle für alle“, sagt Monika Oels, bei der GEW für den Fachbereich Erwachsenenbildung zuständig. Geld für die im Koalitionsvertrag anvisierten 20 Prozent Festanstellungen sind im Doppelhaushalt für die Volkshochschulen gar nicht vorgesehen.
Prekär II: Charité-Tochter
Auch im Gesundheitssektor streiten die Gewerkschaften mit dem Land als prekärem Arbeitgeber: Das Charité Facility Management (CFM), die zu 51 Prozent der landeseigenen Charité gehört, werden nichtmedizinische Krankenhausmitarbeiter seit Jahren schlechter bezahlt als ihre Charité-KollegInnen. Ende des Jahres, wenn der Vertrag mit den privaten Anteilseignern ausläuft, will man diese ausbezahlen. Die CFM, die rund 2.800 MitarbeiterInnen beschäftigt, gehört dann wieder zu 100 Prozent dem Land.
Ob es dann auch eine Angleichung der Löhne an den TVöD, dem Tarifvertrag im öffentlichen Dienst, geben wird, nach dem die Charité-MitarbeiterInnen bezahlt werden, ist unklar. Aktuell verhandelt Verdi mit CFM über einen neuen Tarifvertrag – der alte war im Dezember ausgelaufen. Der Regierende Bürgermeister und Charité-Aufsichtsratschef Michael Müller (SPD) hatte im Mai einen Grundlohn von elf Euro für CFM-MitarbeiterInnen als Übergangslösung angekündigt. Doch die Verhandlungen gestalten sich zäh, die Geschäftsführung will eine mindestens 31-monatige Laufzeit – was die Ungleichbehandlung weiter zementieren würde.
Seit dem 2. Januar befragt Verdi seine CFM-Mitglieder, ob sie das Angebot annehmen oder doch erneut streiken wollen. Die Gewerkschafter sind aber auch enttäuscht vom Senat. „Die Politik räumt den Geschäftsführungen der landeseigenen Unternehmen und deren Tochterfirmen nicht die Spielräume ein, die sie bräuchten, um das politische Versprechen einer 100-prozentigen Angleichung an den Flächentarifvertrag tatsächlich zu realisieren“, sagt Meike Jäger, Verdi-Fachbereichsleiterin für Gesundheit und Soziales. Denn das könnte auch bedeuten, dass diese Unternehmen – vorübergehend – womöglich ins Minus rutschen.
Und so viel ist dem Senat „gute Arbeit“ dann doch nicht wert.
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