piwik no script img

Arbeitskampf im EinzelhandelUnauffällig auffällig

Erst die Demo, dann der Flashmob: Am dritten Tag des Warnstreiks setzt die Gewerkschaft Verdi auf kreative Protestformen.

Eine Streikende fordert auf der Kundgebung am Dienstag mehr Lohn Foto: Sebastian Drost / Verdi

Berlin taz | Auf einem Poller vor dem Wasserklops am Breitscheidplatz in Charlottenburg sitzen bereits kurz vor 10 Uhr drei Teil­neh­me­r*in­nen des geplanten Flashmobs. Einer sortiert die Streikkarten, die sie in den kommenden Stunden verteilen wollen. Die anderen beiden rauchen eine Zigarette.

Es ist der dritte Tag des Warnstreiks, zu der die Gewerkschaft Verdi Berliner und Brandenburger Beschäftigte im Einzel- und Großhandel aufgerufen hat. Bereits am Dienstag fand auf dem Breitscheidplatz eine große Kundgebung statt. Im Gegensatz zu dieser Protestaktion tragen die Teil­neh­me­r*in­nen an diesem bewölkten Donnerstagvormittag keine gelben Warnwesten. Auch laute Streikparolen sind nicht geplant. Stattdessen ein Flashmob.

Immer neue Streikwütige kommen hinzu. Jedem Gruppenzuwachs reicht Organisator Roman Galesky einen Verdi-­Sticker und einen Streikkartenstapel. Auf den Karten werden Kun­d*in­nen des Einzelhandels aufgefordert, die Streikenden in ihrem Kampf gegen Reallohnverlust und Altersarmut zu unterstützen.

Bevor es losgeht, wendet sich Galesky an die Gruppe, die mittlerweile aus 15 Per­sonen besteht. „Wir sind die Guten“, sagt er. Und: „Wir bleiben positiv, auch wenn wir aus einem Laden ge­schmissen werden.“

Protest zwischen Pullovern, Taschen und Hosen

Laut der zweiten Mitorganisatorin Verena Weber sind Flashmobs als Streikaktion nur erlaubt, solange der Arbeitsbetrieb nicht gestört wird. Sonst könne vom Hausrecht Gebrauch gemacht werden. Und nicht nur in Charlottenburg finde heute ein Flashmob statt, sagt Weber. „Wir haben uns in mehrere Gruppen aufgeteilt und gehen heute in Geschäfte am Alexanderplatz, am Potsdamer Platz, in Tempelhof, Schöneweide und Waltersdorf.“

Um 10.30 Uhr läuft die Gruppe gemeinsam zu ihrem ersten Ziel. „Seid kreativ, wo ihr die Karten anbringt“, sagt Galesky zu den Streikenden, bevor sie den H&M direkt neben dem Breitscheidplatz betreten. An der Rolltreppe am Eingang teilen sie sich auf. Einzeln laufen sie durch das Geschäft und befestigen die Protestkarten an Werbereklamen und an die Schaufenster, legen sie zwischen Pullover, in Taschen und unter gefaltete Hosen.

Teilnehmerin Ramona sagt, sie erhoffe sich von der Aktion mehr Aufmerksamkeit, um der Ar­beit­ge­be­r*in­nen­sei­te in der nächsten Verhandlungsrunde ein besseres Angebot abzuringen. Mitstreiterin Bianka drückt es drastischer aus: „Um mit Kind zu überleben, muss ich mir neben­ meinen Vollzeitjob noch einen Nebenjob suchen.“ Damit wolle sie sich nicht mehr zufriedengeben.

Insgesamt fünf Charlottenburger Geschäfte beglückt die 15-köpfige Gruppe am Donnerstag mit ihrem Flashmob. Dann sind die Streikkarten verteilt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!