Arbeitsbedingungen bei Lieferando: Warten aufs Trinkgeld
Laut eines Medienberichts warten Lieferando-Fahrer:innen in ganz Deutschland auf ihr Geld. Lieferando räumt Schwierigkeiten ein.
„Mein kleiner Bruder arbeitet bei @lieferando und hat mir schockiert geschrieben, dass er bei dem Nazi #AtillaHildmann (sic!) im Restaurant Essen abholen musste!“, schreibt ein Twitter-User und ist ganz aufgeregt. Ob’s stimmt? Wissen wir nicht. Klar ist: Pizza-Burger-Döner-Ausfahren für Lieferando und andere Fressplattformen ist auch ohne Hildmann nicht immer vergnügungssteuerpflichtig.
In einer Untersuchung über die Bedingungen für Mitarbeiter*innen der zehn größten Onlineplattformen bekommt Lieferando 5 von 10 möglichen Punkten – und landet so im Ranking weit unten (unfairer geht es nur bei Amazon Flex, Helpling und Uber zu).
Doch es geht immer noch schlimmer: Angeblich um die Auslieferer vor Covid-19 zu schützen, können Besteller seit Mai bargeldlos per App oder Website Trinkgeld geben. Auch Restaurants mit eigenen Fahrern sollten so „selbstverständlich“ und „100 Prozent“ des Trinkgelds bekommen, versichert Lieferando. Ist aber offenbar nicht ganz so. „Lieferando muss Druck machen und dafür sorgen, dass das Trinkgeld dahin kommt, wo es hingehört“, sagt Christoph Schink von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und fordert, dass auch Onlinetrinkgeld zuverlässig ankommt.
Trinkgeld läppert sich
Deutschlandweit beschäftigt Lieferando rund 4.500 Fahrerinnen und Fahrer. Diese liefern allerdings weniger als 10 Prozent aller Bestellungen aus. Die restlichen Bestellungen werden von Fahrern der jeweiligen Restaurants an die Haustüren gebracht. Auch wenn diese Gaststätten das Trinkgeld nicht weitergeben, sei dies widerrechtlich, betont die NGG.
Aber auch die direkt bei Lieferando Beschäftigten haben offenbar Probleme. Viele warten seit Wochen auf die Auszahlung des versprochenen Trinkgeldes. Laut Bento berichten die sogenannten Rider in ganz Deutschland davon, bislang nur unvollständig oder gar kein Trinkgeld erhalten zu haben. Lieferando räumt „technische Schwierigkeiten“ ein, weil die Tip-Funktion „schnellstmöglich“ eingeführt worden sei.
Die durchschnittliche Höhe des Trinkgeldes liegt meist bei einem Zehntel des Bestellwerts, also bei etwa 2 Euro pro Auftrag. Das kann sich läppern. Und: Das ist wohl auch nötig. Für Fahrer, die hauptberuflich Essen ausfahren, ist die monatliche Höhe des Trinkgelds schnell dreistellig – und macht so den mickrigen Lieferando-Lohn überhaupt erst halbwegs attraktiv.
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