das portrait
: Gegen Netanjahu und Polizeigewalt: Jair Golan will Israels Linke retten

Foto: laif

Er wird als große Hoffnung für Israels Linke gehandelt: Ende Mai wurde Ex-General Jair Golan zum neuen Vorsitzenden der sozialdemokratischen Arbeiterpartei Avoda gewählt. Der 62-Jährige ist als scharfer Kritiker von Premier Benjamin Netanjahu bekannt und einer der wenigen israelischen Politiker, der noch für eine Zweistaatenlösung und für Frieden mit den Palästinensern eintritt. In seiner Siegesrede nach der Wahl zum Parteichef sagte Golan: „Wir werden alle unsere Anstrengungen darauf verwenden, die Regierung zu stürzen und auf Wahlen hinzuwirken.“

Golan gilt in Israel vor allem seit seinem Einsatz beim Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 als Nationalheld. Er, der bereits 2018 aus der Armee ausgeschieden war, machte sich auf eigene Faust mit seinem Privatauto in Richtung des Supernova-Festivals auf. Zuvor hatte er morgens im Radio von dem Massaker dort gehört. Golan ließ sich kurzerhand eine Waffe aushändigen und half. Rettete vor Ort verängstigte Fes­ti­val­be­su­che­r:in­nen und trug damit zur Mythenbildung um seine Person bei.

Diese Popularität kann die israelische Linke gut gebrauchen. Sie befindet sich seit Langem in der Krise. In Zeiten des Gazakrieges fehlt es an Visionen, ebenso an Rückhalt in der Bevölkerung. Die Avoda – 1968 aus der Mapai von Staatsgründer David Ben-Gurion hervorgegangen und Regierungspartei unter Friedensnobelpreisträger Schimon Peres – kommt in Umfragen schon lange nicht mehr über die für den Einzug in die Knesset benötigte Hürde von 3,25 Prozent der Stimmen. Golan versprach, linke Parteien und Protestorganisationen zu einen, sich mit der linken Meretz-Partei zusammenschließen und eine regierungsfähige Linke aufzubauen.

Dabei ist Golan in Israels Öffentlichkeit nicht unumstritten. In einer Rede zum Holocaust-Gedenktag im Jahr 2016 kritisierte er das Vorgehen der israelischen Armee in der Stadt Hebron im Westjordanland, wo ein israelischer Soldat einen palästinensischen Attentäter aus nächster Nähe per Kopfschuss getötet hatte, nachdem dieser bereits kampfunfähig war. Golan bezeichnete die Vorgänge als beängstigend und verglich die Situation in Israel mit der Deutschlands vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933. Dies brachte ihm heftige Kritik ein, nicht nur von Netanjahu.

Spätestens seit den monatelangen Massendemonstrationen gegen die Justizreform der Netanjahu-Regierung vor einem Jahr ist Golan auch zu einem Gesicht der Proteste geworden – was sich bei den nun wieder aufflammenden Protesten fortsetzt. Am Wochenende hatte es Medienberichten zufolge die größten Demonstrationen gegen die politische Führung des Landes seit dem 7. Oktober gegeben, Organisatoren sprachen von rund 150.000 Teilnehmenden. Die Forderungen: ein Ende der Netanjahu-Regierung sowie die Freilassung der noch immer von der Hamas im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln. Auch wurde an den Geburtstag einer Soldatin erinnert, die am Samstag in Geiselhaft 20 Jahre alt geworden ist.

Bei den Protesten sei es Medienberichten zufolge zu Rangeleien mit der Polizei des rechtsextremen Polizeiministers Itamar Ben-Gvir gekommen. Mehrere Personen seien festgenommen worden. Jair Golan kritisierte das Vorgehen der Polizei scharf und sprach von Polizeigewalt, die „alle Grenzen überschritten“ habe. Die Sicherheitskräfte dürften nicht „zu einem Werkzeug in den Händen der korrupten und gescheiterten Regierung“ werden, schrieb er auf der Plattform X. Fabian Schroer

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