Arbeiten in der Coronapandemie: Heil plant Recht auf Homeoffice

Mindestens 24 Tage im Jahr sollen Arbeitnehmer*innen künftig von zu Hause arbeiten dürfen. Das sieht ein Gesetzentwurf von Arbeitsminister Heil vor.

Ein Mensch sitzt voe einem Laptop

Kann gemütlicher sein als im Büro: der häusliche Schreibtisch Foto: Jens Kalaene/dpa

BERLIN epd/afp | Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat sein angekündigtes Gesetz für ein Recht auf Homeoffice fertiggestellt und will es nun in die Ressortabstimmung geben. Das „Mobile Arbeit Gesetz“ sieht für Arbeitnehmer „dort, wo es möglich ist“ einen Rechtsanspruch auf mindestens 24 Tage Homeoffice im Jahr vor, sagte Heil der „Bild am Sonntag“. Wenn beide Eltern einen Beruf haben, in dem mobiles Arbeiten machbar ist, könne nach seinem Vorschlag jede Woche abwechselnd ein Elternteil einen Tag von zu Hause arbeiten. „Das erleichtert das Familienleben enorm“, so Heil.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) lobte den Vorstoß, kritisierte aber zugleich, dass dieser nicht weit genug gehe. „Der geplante Rechtsanspruch von lediglich bis zu 24 Tagen ist eindeutig zu wenig“, sagte DGB-Vorsitzender Reiner Hoffmann. „Das bedeutet gerade einmal einen Anspruch von einem Tag mobiler Arbeit alle zwei Wochen.“ Ein solcher „Minimalanspruch“ sei ein Zugeständnis an die Arbeitgeber, die bei dem Thema immer noch blockierten, kritisierte Hoffmann.

Die 24 Tage möchte Heil als Untergrenze verstanden wissen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber könnten sich darüber hinaus individuell in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen auf mehr Heimarbeit verständigen, sagte er.

Natürlich könne ein Bäcker nicht von zu Hause aus Brötchen backen. „Deshalb kann ein Arbeitgeber den Wunsch nach mobiler Arbeit ablehnen, wenn er dafür nachvollziehbare organisatorische oder betriebliche Gründe hat“, sagte Heil. Für Arbeitgeber sei es mit dem Gesetz nicht mehr möglich, mobiles Arbeiten aus Prinzip abzulehnen. „Chef und Mitarbeiter werden in Zukunft darüber auf Augenhöhe verhandeln.“

Dokumentation der Arbeitszeit ist Pflicht

Darüber hinaus sieht das Gesetz vor, dass die Arbeitszeit im Homeoffice digital dokumentiert werden muss. „Arbeit von zu Hause darf nicht dazu führen, dass einen die Arbeit gar nicht mehr loslässt. Auch im Homeoffice muss irgendwann Feierabend sein“, so Heil. Deshalb schreibe das Gesetz vor, dass Arbeitszeiten bei mobiler Arbeit digital dokumentiert werden müssen. Auch die gesetzliche Unfallversicherung soll bei mobiler Arbeit sowie für den Weg hin und zurück zu Kita und Schule gelten.

Der Arbeitsminister begründete seinen Vorstoß auch mit den Erfahrungen der Corona-Zeit. „Das Virus hat uns gelehrt, dass viel mehr mobiles Arbeiten möglich ist als wir dachten“, sagte er. „Weil mobiles Arbeiten schon für einige fest zur modernen Arbeitswelt gehört, aber vielen noch nicht ermöglicht wird, braucht es dafür auch ein Gesetz.“

Das Bundesarbeitsministerium hat laut „Bild am Sonntag“ eine Studie zum Homeoffice in der Coronapandemie in Auftrag gegeben. Demnach haben in den Monaten Juli und August 2020 insgesamt 36 Prozent der abhängig Beschäftigten im Homeoffice gearbeitet – das entspricht einer Gesamtzahl von rund 14,6 Millionen Arbeitnehmer*innen.

Im Vorjahreszeitraum habe der Anteil der Beschäftigten, die mobil arbeiten, bei 24 Prozent gelegen. 87 Prozent der Menschen, die während der Pandemie zu Hause gearbeitet haben, seien mit dem Homeoffice „sehr zufrieden“ oder „zufrieden“ gewesen.

Union hält nichts von Vorstoß

Beim Koalitionspartner Union stießen Heils Pläne auf Ablehnung. „Einen echten Rechtsanspruch kann es nicht geben“, sagte der Arbeits- und Sozialexperte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Weiß (CDU), am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP. Er warnte davor, dass sonst die „Arbeitnehmerschaft in zwei Teile aufgeteilt“ werde – jene, die ihre Arbeit zuhause verrichten können, und jene, bei denen das nicht geht.

Es müsse immer „gleiches Recht für alle gelten“, mahnte Weiß. Der CDU-Abgeordnete rief die Arbeitgeber*innen zugleich zu mehr Offenheit gegenüber Wünschen nach mobiler Arbeit auf: „Dass Arbeitnehmer Wünsche nach Homeoffice ernsthaft prüfen, das sollte selbstverständlich werden.“

Die Linke warnte mit Blick auf Heils Vorschlag vor neuen Belastungen für Arbeitnehmer*innen. Es brauche hier „klare Regeln zum Schutz der Beschäftigten, damit Homeoffice nicht zur Überstundenfalle wird“, sagte die Linken-Arbeitsexpertin Jessica Tatti der Nachrichtenagentur AFP. Der Betrieb müsse „als sozialer Ort“ erhalten bleiben, forderte die Bundestagsabgeordnete.

Wichtig sei, „dass Beschäftigte Homeoffice auch ablehnen dürfen und weiterhin einen festen Arbeitsplatz im Betrieb haben, an den sie jederzeit zurückkehren können“, sagte Tatti. Prinzipiell sei es aber zu begrüßen, wenn „Arbeitgeber Homeoffice-Wünsche von Beschäftigten zukünftig nicht mehr grundlos ablehnen können“. Es komme dabei aber auf die rechtliche Ausgestaltung an.

Arbeitszeitgesetz „völlig aus der Zeit gefallen“

Auch der FDP-Arbeitsmarktexperte Johannes Vogel zeigte sich skeptisch. Ein „moderner Rechtsrahmen“ für Homeoffice und mobiles Arbeiten sei zwar „längst überfällig“, sagte Vogel zu AFP. Allerdings blieben bei Heils „Mini-Vorschlag“ viele Fragen offen, bemängelte der Liberale. „Wird auch Bürokratie abgebaut, die Unternehmen heute zwingt, die heimischen Schreibtische zu kontrollieren? Wird ein einseitiger Rechtsanspruch geschaffen oder ein faires Erörterungsrecht wie in den Niederlanden?“

Vogel forderte den Arbeitsminister zu einer grundsätzlichen Modernisierung des Arbeitszeitgesetzes auf. Dieses Gesetz sei „völlig aus der Zeit gefallen“, sagte der FDP-Abgeordnete. „Wir bräuchten jetzt dringend mehr Freiheit, wo und wann man arbeitet.“

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