Arabische Staaten und Libyen: Zu sehr mit sich selbst beschäftigt
Die arabischen Regierungen sind sich in Sachen Libyen nicht einig. Die einen sind dabei, Proteste abzuwehren, die anderen müssen sich erstmal neu sortieren.
KAIRO taz | Sei es die EU, die Nato, die USA oder der UN-Sicherheitsrat, alles blickt auf die Arabische Welt, um zu erkennen, wie diese zum Regime Gaddafi steht und ob dort eine militärische Intervention, wie die Einführung einer Flugverbotszone in Libyen Rückdeckung oder gar logistische Unterstützung finden würde.
Als erstes arabisches Gremium trafen sich am Donnerstag die sechs Staaten des Golf Kooperationsrates. Die Länder auf der Arabischen Halbinsel sprachen dem Regime Gaddafi jegliche Legitimität ab und riefen die Arabische Liga auf, das Blutvergießen in Libyen zu stoppen und Kontakte zu den Aufständischen, zum libyschen Nationalrat aufzunehmen. Jassem Ben Jaber der Außenminister von Katar, sagte, dass das Regime in Libyen keinerlei Legitimität mehr besitzt. "Wir unterstützen auch eine Flugverbotszone", sagte er und forderte den UN-Sicherheitsrat auf, Verantwortung zu übernehmen.
Aber zuerst muss die Arabische Liga Verantwortung übernehmen oder besser gesagt, sich zunächst einmal auf eine Position einigen, wenn sich deren Außenminister am Samstag in Kairo treffen. Und genau das dürfte schwierig werden. Denn anders als die Golfstaaten, die nie eine große Liebesbeziehung zu Gaddafi unterhalten haben, sind die arabischen Staaten in Sachen Libyen gespalten.
Syrien und ALgerien lehnen jegliche Einmischung ab
Die Regime in Algerien und Syrien lehnen jegliche Militärintervention und Einmischung in interne libysche Angelegenheiten ab. "Syrien bestätigt seine Ablehnung gegenüber allen Arten von ausländsicher Einmischung in die libyschen Angelegenheiten", heißt es in einer Erklärung des Außenministeriums in Damaskus. In Syrien herrscht seit Beginn der Revolutionen in den arabischen Ländern ansonsten generell das große Schweigen. Sowohl das Regime in Algerien als auch in Syrien treibt wohl die Angst an, die Nächsten auf der Liste zu sein.
Ägypten stellt wieder herum seine eigenen Abwägungen an. Dort macht man sich vor allem Sorgen darüber, dass die Einführung einer Flugverbotszone, und einer möglichen ägyptischen Unterstützung dafür, die Situation der über eine Million in Libyen lebenden Gastarbeiter und deren Evakuierung komplizieren könnte. Bei der Bevölkerung gibt es indes keinen Zweifel, wo die Sympathien stehen. Auf der Straße von Bengasi zur ägyptischen Grenze trifft man einen ägyptischen Hilskonvoi nach dem anderen, in den Krankenhäusern Bengasis arbeiten zahlreiche ägyptische Ärzte und selbst unter den äufständischen Kämpfern finden sich ägyptische Jugendliche.
Widersprüche selbst im Golfkooperationsrat
So dürfte der relativ eindeutigen Erklärung der Golfstaaten keine ähnliche klare Positionierung der Arabischen Liga folgen. Selbst innerhalb des Golfkooperationsrates sind die Widersprüche zu groß. Dessen größtes Mitglied Saudi Arabien ließ am Donnerstag im Osten des Landes selbst auf Demonstranten das Feuer eröffnen, so wie zuvor der König von Bahrain einen brutalen Einsatz seiner Polizei gegen Demonstranten anordnen ließ. Abdallah Saleh im Nachbarland Jemen steht derzeit wahrscheinlich nach Gaddafi am meisten unter Druck seiner eigenen Demokratiebewegung.
Und die unmittelbaren Nachbarn Libyens, Tunesien und Ägypten, sind derzeit zu sehr mit sich selbst und den Nachwehen oder der Fortdauer ihrer Revolutionen beschäftigt. In Tunesien wurde gerade in einem einzigartigen Schritt für die Arabische Welt die Geheimpolizei abgeschafft.
"Konterrevolution" in Ägypten
Ägypten erlebt derzeit eine Art Konterrevolution, wie es der dortige neue Premier Essam Scharaf fasst, der von systematischen Versuchen spricht, die Strukturen des neuen ägyptischen Staates zu zerstören. In Zeiten des Aufstandes gegen Mubarak hatte im Land ein relativer Religionsfrieden geherrscht und das, obwohl die Polizei vor den Kirchen abgezogen war. In dieser Woche sind bei Auseinandersetzungen zwischen Kopten und Muslimen in Kairo mindestens 13 Menschen gestorben und 160 verletzt worden.
Für viele Ägypter war es kein Zufall, dass die interkonfessionellen Auseinandersetzungen gerade dann wieder begannen, als die verhasste Institution der Staatssicherheit unter Beschuss geriet. Demonstranten hatten mehrere Zentralen der ägyptischen Stasi gestürmt, um zu verhindern, dass die dortigen Akten aus der Mubarak-Zeit vernichtet werden. Sie vermuten die Hand der Staatssicherheit hinter den neuen muslimisch-koptischen Zusammenstößen.
So ist es unwahrscheinlich, dass ausgerechnet die Arabischen Staaten und deren Führungen die Libyenkrise lösen sollen. Die sind zu sehr mit den eigenen Revolutionen beschäftigt: entweder sie zu verhindern, um nicht zum nächsten Gaddafi zu werden oder sie auszuleben und die neuen Zeiten zu organisieren.
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