Antiquariat und Moderne

Wie es wirklich war: Ein ganz persönlicher Rückblick auf 13 Jahre Leben in und mit der Schule. Nicht auf Schüler hören Lehrer und Politiker, PISA müsste man heißen, wollte man ernst genommen werden

von CHRISTINA VELDHOEN

Ich habe noch genau 60 Tage Schule vor mir. Das Ende ist also nah, und eigentlich könnte ich jetzt auch sagen: Ist mir doch egal, wie die ihren komischen Laden weiterführen – interessiert mich nicht mehr.

Aber das ist schwer, wenn man den Großteil seines bisherigen Lebens dort verbracht und dabei nie aufgegeben hat, wenigstens auf einige Missstände hinzuweisen. Es begann im zarten Alter von 12 Jahren auf Anti-Rotstift-Demonstrationen. Ohne dass ich allerdings so genau wusste, worum es ging. Entscheidend war das wohl auch nicht, denn bis heute bin ich nicht in den Genuss gekommen, von einer Lehrkraft unter 45 Jahren unterrichtet zu werden. Auch froren wir uns weiterhin jeden Winter die Finger ab – schließlich musste gespart werden.

Als das Computerzeitalter endlich Einzug in unsere Schule hielt, hieß das natürlich noch lange nicht, dass auch nur eines der Geräte jemals im Unterricht zum Einsatz kam. Woher sollten denn die Lehrer die Bedienung eines so hoch komplizierten Gerätes beherrschen? So kam es, dass ich den Computerraum etwa drei Jahre nach seiner Einrichtung zum ersten Mal von innen sah. Eine Unterrichtsstunde reichte jedoch selten aus, die Geräte zu aktivieren. Das Neue braucht eben Zeit, sich durchzusetzen. Vielleicht ist das auch der Grund, warum aktuellen Ereignissen in meiner Schule grundsätzlich kein Platz im Unterricht eingeräumt wurde.

Da ist es fast schon verständlich, dass den Schülern im Geschichts- oder Gemeinschaftskundeunterricht Bücher aus den 70er Jahren vorgelegt werden, oder in Erdkunde mit Atlanten aus derselben Generation gearbeitet wird. Die Frage ist nur, wie Schüler politischen Weitblick entwickeln sollen, wenn die Grundlage aus Kalter-Krieg-Theorien besteht und die DDR auf den Landkarten noch existiert, Mazedonien aber nicht?

Um in diesem System irgendetwas nachvollziehen zu können, müsste so etwas wie Kommunikation zwischen uns Schülern und der Schulleitung oder höheren Instanzen möglich sein. Aber stattdessen hat Schule mich gelehrt: Wenn irgendwelche noch nicht mal volljährigen Jugendlichen bei besagten Personen anklopfen und ihnen erklären wollen, warum bestimmte Zustände an ihrer Schule unhaltbar sind, oder dass sie sich mit der Willkür und der Undurchsichtigkeit der Notengebung nicht zufrieden geben wollen, werden sie einfach lächelnd abgewimmelt. Bewirken können sie nichts. Nur bei den Schülern selbst tut sich etwas: Nach einigen Jahren geben sie sich resigniert geschlagen und hoffen eben auf jenen Tag, von dem an sie das alles nichts mehr angeht.

Um die Gehörgänge der Personen zu durchdringen, die den Grundstein für unsere Zukunft legen sollen, muss man anscheinend PISA heißen und über Wochen Thema in allen Medien sein. An dieser Stelle ein großes Danke an PISA, unseren Hoffnungsträger! Ganz schön gefährlich für das starke Deutschland, wenn dessen Nachwuchs derartig mittelmäßige Ergebnisse erzielt. Muss man sich schnellstens was einfallen lassen, um die Gemüter zu beruhigen. Da kann es dann an Durchdachtheit ruhig mangeln. Der Gedanke mit der Verkürzung der Schulzeit auf 12 Jahre ist gut. Nur ist das nicht von heute auf morgen umzusetzen, schon gar nicht ohne Konzept. Dabei ist der größte Skandal, den unser Freund PISA zutage gefördert hat, auch die größte Blamage und zugleich größte Herausforderung für Deutschland: Das Recht auf Bildung darf nicht an den sozialen Hintergrund gekoppelt sein. Hoffentlich ist PISA ein hartnäckiger Genosse und meldet sich von nun an jährlich zu Wort.

Ich glaube, die Herrschaften, die sich da zurzeit die Haare raufen, sollten mal mit denjenigen in Dialog treten, die das Ganze betrifft. Wenn man sich nämlich für uns Schüler interessiert, können wir bestimmt hilfreich sein.