Antibiotika in der Massentierhaltung: Nur mit Gasmaske in den Hühnerstall
In den Ställen der Massentierhalter werden Antibiotika tonnenweise verfüttert. Ärzte warnen nun, dass viele Keime gegen sie resistent sind.
HANNOVER taz | Humanmediziner und Tierärzte schlagen Alarm: Der völlig unverhältnismäßige Einsatz von Antibiotika in der Fleischindustrie gefährdet die Gesundheit von immer mehr Menschen.
Durch das Auftreten multiresistenter Keime, die nicht mehr auf die Behandlung mit Antibiotika ansprechen, werde die Behandlung vieler Infektionen immer schwieriger, warnte die Bremer Internistin Imke Lührs als Sprecherin der „Ärzteinitiative gegen Massentierhaltung“ am Mittwoch in Hannover: „Krank werden besonders Menschen, die in ihrer Abwehrkraft geschwächt sind.“ Also etwa „ganz Junge und ganz Alte, Frischoperierte und Unfallopfer“.
Studien hätten nachgewiesen, dass „eine zunehmende Zahl“ der multiresistenten Keime „aus der Nutztierhaltung“ stamme, heißt es in einem Positionspapier der Ärzteinitiative. Danach gelten Landwirte, Schlachthauspersonal und Tierärzte in Krankenhäusern bereits als Hochrisikopatienten – bei Stichproben trugen bis zu 100 Prozent der untersuchten Veterinärmediziner die Krankheitserreger in sich. „Es ist fünf vor zwölf“, sagt der Krankenhaushygieniker Martin Eikenberg.
Denn in den riesigen Ställen der Massentierhalter werden Antibiotika gleich tonnenweise verfüttert: 2011 kamen in der Tiermast bundesweit 1.700 Tonnen der Medikamente zum Einsatz. In der Humanmedizin war es weniger als die Hälfte. Deshalb entwickeln sich die multiresistenten Keime offenbar zunächst in den Körpern der Schlachttiere – und werden dann auf Menschen übertragen, etwa wenn sie nicht durchgegartes Fleisch essen oder über Küchenutensilien wie nicht richtig gesäuberte Messer.
Siegfried Ueberschär vom „Tierärztlichen Forum für verantwortbare Landwirtschaft“ forderte deshalb ein Ende der Massentierhaltung. Nur so könne der Antibiotikaeinsatz beim Schlachtvieh beendet werden: „Es gibt Hühnerställe, da gehen Sie nur mit Gasmaske rein“, sagt der Tierarzt. Die Tiere seien völlig zusammengepfercht, „von oben bis unten voll Kot“ – und nur durch massive Medikamentengabe überlebensfähig. „Wir brauchen nicht einen, sondern zwei oder drei Veggie-Days in der Woche“, fordert er.
Biofleisch gilt übrigens als weniger belastet: „Die Ware ist deutlich weniger mit multiresistenten Keimen besiedelt“, sagt Ärztin Lührs.
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