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Anti-amerikanisches Gesetz in RusslandKalter Krieg mit Waisenkindern

Nach dem Unterhaus hat nun auch das russische Oberhaus ein Adoptionsverbot für US-Bürger verabschiedet. Es fehlt nur noch die Unterschrift von Wladimir Putin.

Beschlossene Sache: Russische Kinder dürfen nicht mehr von US-Bürgern adoptiert werden. Bild: dapd

BERLIN taz | US-Bürger dürfen ab dem 1. Januar 2013 keine russischen Kinder mehr adoptieren. Am Mittwoch und damit eine Woche nach der Duma verabschiedete der Föderationsrat, das russische Oberhaus, einstimmig ein entsprechendes Gesetz. Vor der Sitzung war das Parlamentsgebäude in der Bolschaja-Dmitrowka-Straße im Zentrum von Moskau von Sicherheitskräften weiträumig abgesperrt worden. Elf Personen, die gegen das Verbot demonstrierten, wurden vorübergehend festgenommen. Andere Demonstranten befürworteten das umstrittene Gesetz.

Mit Kindeswohl hat das „Dima-Jakowlew-Gesetz“ am allerwenigsten zu tun – auch wenn es nach einem russischen Jungen benannt worden ist, der 2008 gestorben war, weil ihn sein amerikanischer Adoptivvater bei brütender Hitze in einem Auto vergessen hatte. Tatsächlich handelt es sich um eine Antwort auf den sogenannten Magnitsky Act.

Dieses Gesetz hatte US-Präsident Barack Obama vor zwei Wochen unterzeichnet. Es belegt rund 60 russische Beamte, die in den Tod des Rechtsanwaltes Sergei Magnitsky verstrickt sein sollen, mit Einreiseverboten der USA und friert ihren dortigen Immobilienbesitz ein. Magnitsky war 2009 in einem Moskauer Gefängnis angeblich durch Folter zu Tode gekommen. Zuvor hatte er Beamten des Innenministeriums vorgeworfen, den russischen Staat mittels Steuerhinterziehungen um rund 230 Millionen US-Dollar erleichtert zu haben.

In der vergangenen Woche hatte Staatspräsident Wladimir Putin auf einer Pressekonferenz den Magnitzki Act als einen „unfreundlichen Akt“ gegenüber Russland gegeißelt. Das Adoptionsverbot, das auch für andere Staaten gilt, sollten sie sich dem Magnitzki Act anschließen, bezeichnete er als „angemessene Reaktion“.

Doch darin wollen ihm offensichtlich nicht alle folgen. So berichtet das US-Wirtschaftsmagazin Forbes von einem Brief der Vizepremierministerin für soziale Fragen, Olga Golodez, an den Kremlchef. Darin merkt die Politikerin an, dass das Adoptionsverbot gegen die Wiener Konvention, die Kinderrechtskonvention und das russische Familienrecht verstoße.

Laut Angaben des Kinderrechtebeauftragten beim russischen Präsidenten, Pawel Astachow, müssen 46 Kinder, deren Adoptionsverfahren abgeschlossen waren, jetzt in Russland bleiben. Man werde dort nach Pflegefamilien für sie suchen.

„In Russland bleiben – das kommt einem Todesurteil gleich“, kommentiert ein Leser diese Ankündigung auf dem russischen Internetportal Gazeta-ru. Und ein anderer schreibt: „Ich bin zwar Atheist. Doch in Momenten wie diesen würde ich mir wünschen, dass es eine Hölle gäbe.“

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8 Kommentare

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  • R
    Richard

    Ich frag mich warum mittlerweile Russlandartikel mit Kommentaren aus Gazeta.ru geschmückt werden und nicht der Sache auf den Grund gegangen wird? Wieso will jemand Russland verbieten so zu handeln, wie z.B. Guatemala einst?

     

     

    "Guatemala seeks to slow exodus of babies to U.S.

    Guatemalan President Oscar Berger announced recently that adoptions to the United States will be suspended on January 1, 2008, a decision that could leave nearly 3,000 babies currently in the adoption pipeline in legal limbo. "This is our heritage, our future," said Carmen Wennier, head of Guatemala's Social Welfare bureau, who has criticized the adoption system. Guatemala has the highest per capita rate of adoption in the world and the United States represents the largest number of adoptions, with an estimated one of every 100 Guatemalan babies sent to the United States, according to the U.S. consulate in Guatemala. U.S. officials estimate more than 5,000 adoptions from Guatemala will be processed this year, an annual high which would make Guatemala the second biggest origin of adoptive babies to the United States, behind China. "We have thousands of cases of Guatemalan children who have been adopted to the United States and have had terrific experiences as adoptive children there, and frankly, have probably experienced a life more full of opportunity and support than they would have if they had been abandoned in Guatemala," U.S. Ambassador to Guatemala James Derham said. "What we want to do is make sure that all adoptions are consistent with these kinds of ideas."

    http://edition.cnn.com/2007/WORLD/americas/10/03/guatemala.adoption/index.html?iref=newssearch

  • B
    Benz

    @Hans

    Das ist nicht ganz richtig. Der Handel mit russischen bzw. allgemein osteuropäischen Adoptivkindern ist deshalb so schwungvoll, weil viele amerikanische Adoptiveltern kein schwarzes oder asiatisches Kind adoptieren möchten. In Asien und Afrika gäbe es mehr als genug Waisen. Sie möchten lieber ein weisses. Und die gibt es eben in RU.

     

    Aufgrund der grossen Nachfrage nach weissen Waisen konnten skrupellose internationale Vermittlungsagenturen ein riesiges Geschäft mit russischen Waisen aufziehen, diese gegen viel Bares in die USA verkaufen. Russische Adoptionswillige dagegen wurden abgewimmelt, mussten jahrelange warten, oder man ''offerierte'' ihnen nur noch die Kinder, die die Ausländer nicht haben wollten, also die Behinderten. Ein ziemlich dreckiges Geschäft.

     

    @Hajü, Toddi

    Das Geschäft boomte in den 90ern, als Prostituierte und Kinder zu einem der wichtigsten ''Exportartikel'' RUs wurden. Ich finde es auch richtig, dass diesem entwürdigenden Menschenhandel ein Riegel vorgeschoben wurde.

    In den USA wurden die Kinder dann von den Eltern geschlagen und sogar getötet. Und wenn sie es überlebten und es bis in Schulalter schaffen, laufen sie Gefahr von einem Amokläufer erschossen zu werden.

     

    @Goldammer

    Ich finde es auch ziemlich schmuddelig, wenn vertreten wird, nur um die USA nicht zu verärgern, dürfe man gegen die Morde an Adoptivkindern halt nichts unternehmen. Ziemlich zynisch.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Soviel ich weiß ist Russland immer noch ein souveräner Staat. Dort darf man Gesetze beschließen, ohne vorher bei Frau Oertel nachzufragen. Das sie die blödesten Zusammenhänge konstruiert sagt mehr über sie selbst, als über Russland aus. Putin wurde von der Mehrzahl seiner Landsleute gewählt. Ob er das Gesetz unterschreibt oder nicht, wird er sich nicht aus dem Ausland vorschreiben lassen. Ich achte Putin als wichtigen Staatsmann unserer Tage. Ich staune immer wieder, welches anmaßende Russlandgeschwätz in der TAZ vom Stapel gelassen wird. Die Argumente von Frau Oertel wirken ziemlich schmuddelig

  • T
    toddi

    Die armen (reichen) impotenten Amis müssen sich jetzt halt ihre "Kinder" woanders kaufen. In den USA gibt es sicherlich genug Gelegenheit (Markt) dafür. Auch bleibt unklar warum Kinder ausgerechnet in ein Land geschickt werden sollen, das im Unterschied zu Russland Bankrott ist, nur nicht bereit es zuzugeben und wo die Kinder dann im wehrfähigen Alter als Mörder (fürs Kapital) in die Welt geschickt werden.

    Man kann es tatsächlich auch so sehen, Russland das bekanntlich Nachwuchsprobleme hat schiebt dem Ausverkauf seiner Staatsbürger (ein Überbleibsel aus der Zeit des tanzenden Suffkopps wo der Westen bekanntlich versuchte das letzte Wertvolle aus der ehemaligen Sowjetunion abzuziehen) einen Riegel vor. Eine Folge dieser Zeit stammt im Grunde auch (der sicherlich untersuchungswürdige Tot) des Juristen (der im Auftrage einer US Heuschrecke Hermitage Capital Management ) wie flächendeckend alle der damals "erfolgreichen" heutigen Oligarchen Dreck am Stecken hatte und die Gesamtbevölkerung der UdssR (denn es handelte sich um Volkseigentum/ so etwas ähnliches wie Staatseigentum;-)) moralisch und auch juristisch betrogen hat.

    Wenn man das Recht umsetzen würde, würden viele dieser Protagonisten lange Zeit, wenn sie den verursachten Schaden abarbeiten müssten, mehrere Leben lang hinter Gitter verschwinden. Dies beträfe sicherlich auch die Konkurrenten von Sergei Magnitsky - aber letztendlich wurden dort nur kapitalistische Methoden in ihrer ungezügelsten Form praktiziert. Deshalb bellen und jaulen die Amis wie getroffene Hunde. Auch dieser Menschenhandel war ein florierendes "Bussiness". Soweit zu den Verlierern. Gewinner dagegen ist die russische Bevölkerung die jeden Mitstreiter zur Verbesserung der Lebensverhältnisse IN Russland dringend bedarf.

    Und zum Fall Dima Jakolew, da muss man mal Verständniss haben! Da vergißt !!! der "Vater" mal sein Investitionsgut auf dem Rücksitz, hat wohl nicht gebellt- und außerdem er kann sich ja ein neues kaufen …

  • Q
    quer-ulantin

    Der asoziale Putin fällt mit seiner menschen- und kritikfeindlichen Politik zurück in die 60er!

     

    Weg mit dem, bevor er noch mehr Schaden anrichtet!

  • H
    Hans

    @Seltsam

    Weil sie in Russland keine haben will. Besonders Kinder mit Behinderungen finden in Russland schwer Adoptiveltern. Sie werden zumeist von Ausländern adoptiert.

  • H
    Hajü

    Dies - Madonna oder Brad Pitt samt Frau Angelina begeben sich nach Afrika - oder Russland, um Kinder zu adoptieren, ist doch höchst fraglich. Aus Afrika gibt es manche mahnende Stimme dagegen.

     

    Nach der Wende, zur Zeit, als Kohl seine Freunde Gorbatschow und Jelzin traf, sich verbrüderte, sie auch beriet, ist uns ja noch eine Berichterstattung über ein Land, das vorher den meisten Pressemenschen dunkel, fremd und unheimlich war, in Erinnerung. Überlagert wurde dieser Discours noch mit einem Denken, das sich bestätigt fühlte im Sieg im Kalten Krieg.

    Es gab despektierliche und verächtliche Berichterstattung über Russlands erste Misswahlen, Berichte über Neureiche und leichte Mädchen. Berichte über den Markt heiratswilliger Frauen, die nur noch gen Westen wollen. Auf einer Stufe mit den unseligen Berichten über einen bestimmten Tailandtourismus. Weststandard musste her, Kohl sammelte für frierende Rentner Russlands, Lebensmittelhilfe per LKW wurde angeleihert. Aber gleichzeitig hiess es, Russland wäre ein Fass ohne Boden, in dem Wirtschaftshilfe verpuffen würde..

    Und die Rohstoffe waren wohlfeil.

    Inzwischen hat Russland mächtig aufgeholt nach dieser frühkapitalistischen Phase der Kioske und der Neureichen. Es deutet sich zunehmender Wohlstand der Bevölkerung an. Es gibt Mittelstand, gut ausgebildete Junge Leute... die nicht nur an Managerschulen im Westen gehören. Übrigens gibt es Models aus Russland, die noch Socken und Feinripp als Nonplusultra verkaufen könnten.

    Dies Adoptieren ist eine Sache, die auf der Linie liegt von strümpfestrickenden pietistischen kapitalistischen Ehefrauen. Auf der Linie des zu bestätigenden amerikanischen Traums vom Supervermögen, das dann dazu verleitet, Allmosen zu geben...

    Wie man hört, gibt es jetzt in USA viele Menschen, die verarmt sind, einen Mittelstand, der schrumpfte. viele Menschen, die ihre Häuschen nicht mehr bezahlen können. Weil sie von Gehalt zu Gehalt lebten. Was für ein Tumult wäre in USA, wenn plötzlich Chinesische Bürger auftauchten, die adoptiren wollen? Das Geschrei amerikanischer Medien möchte ich nicht hören. Nein, das Adoptieren hat was von imperialistischer Akt. Das war schon ein Akt des Selbsbewusstseins, das zu stoppen.

    Hajü

  • S
    Seltsam

    Wozu brauchen Amerikaner russische Kinder?