Anti-Drogen-Kampf in Peru: Koka-Bauern ohne Lebensgrundlage
Um den Kokainhandel zu stoppen, treibt Peru die Vernichtung der Koka-Pflanzen voran. Die Bauern klagen über fehlende Alternativen.
„Davon leben wir doch“, klagt Edma Duran. Die sechsfache Mutter muss ihre Familie in einem 110-Seelen-Dorf ernähren, in dem es weder Strom noch Wasser oder Telefone gibt. Vom nächsten Arzt ist sie fünf Stunden entfernt.
Der von den USA unterstützte Feldzug gegen den Koka-Anbau zielt auf die Ausrottung der Pflanze, aus der Kokain auch für den amerikanischen Markt gewonnen wird. Für Tausende Bauern wie Duran ist es das Aus für ihre Lebensgrundlage. Ihnen sei nur eine armselige Entschädigung geboten worden, beklagen sie.
Rund 55.000 Hektar Koka-Felder wurden in den vergangenen beiden Jahren zerstört - ein Rekord. Die Regierung spricht von einem Minus von 30 Prozent. Damit fiel Peru hinter Kolumbien zurück, was die Anbaufläche angeht. Dennoch blieb das Andenland der weltweit größte Kokainproduzent. Für dieses Jahr steht die Vernichtung von Koka-Pflanzen auf weiteren 35.000 Hektar Land auf dem Programm. Das entspricht einer Fläche größer als München.
„Ein paar Kakao-Samen und dann vergessen sie dich“
„Erstmals in der Geschichte des Landes haben wir die Zunahme der Koka-Blatt-Produktion für den Drogenhandel gestoppt“, feierte Präsident Ollanta Humala vor einigen Wochen seinen Erfolg. Nach Auskunft der Regierung wurden allein im vergangenen Jahr 42.000 Familien finanziell entschädigt oder beim Anbau alternativer Pflanzen unterstützt.
Viele Familien aber erhalten keine Unterstützung. Oder sie weisen sie zurück: „Sie geben dir eine Machete und ein paar Kakao-Samen und dann vergessen sie dich“, sagt Edma Duran. Sie und ihr Mann pflanzten Bananen an, nachdem die Koka-Bekämpfer ihre Sträucher im Jahr 2013 zum ersten Mal zerstörten. Als die Früchte reif waren, lag der Fluss, der sie mit dem nächsten Markt verband, trocken. Sie mussten fünf Stunden laufen. Für die 100 Bananen erhielten sie schließlich umgerechnet nur knapp einen Euro.
Die Familie pflanzte also wieder Koka an. Das spülte alle vier Monate fast 900 Euro in die Kasse. „Alle kaufen nur Koka“, sagt Duran. In Peru und anderen Andenländern werden die Blätter auch gekaut, um Hunger und Müdigkeit zu verdrängen. Koka-Blätter und Koka-Tee gelten zudem als wirksames Mittel gegen die Höhenkrankheit.
Ein großer Teil der Ernte geht aber in die Rauschgiftproduktion. In der Gegend, in der Duran lebt, seien in den vergangenen beiden Jahren mehr als 300 Kokain-Labore entdeckt worden, meldete die Polizei. Auch etwa 20 versteckte Landebahnen für Kleinflugzeuge zum Drogenschmuggel seien aufgespürt worden.
Im Juli kamen schließlich die Koka-Bekämpfer in US-Hubschraubern in Durans Dorf zurück. Unter Polizeischutz vernichteten 70 Männer binnen einer halben Stunde Durans Sträucher. Die betroffenen Bauern wehren sich zunehmend.
Finanzielle Unterstützung durch die USA
Ein Protest mehrerer Tausend Menschen in Ciudad Constitucion schlug im Juli gar in Gewalt um. Ein Bauer wurde von einer Polizeikugel tödlich getroffen, mehr als 20 Menschen wurden verletzt. Die Koka-Bauern fordern, die Zerstörungsaktion zu stoppen, bis die Regierung tragfähige Alternativen für den Lebensunterhalt bieten könne. Die Behörden würden zudem Gelder aus einem dafür vorgesehenen Entwicklungsfonds in sinnlose und unseriöse Projekte stecken, kritisiert Protestführer Hipolito Rodriguez.
Seit Humala 2011 das Präsidentenamt übernahm, investierte die Regierung umgerechnet gut 250 Millionen Euro in den Anti-Drogen-Kampf. Die USA steuerten rund 50 Millionen Euro bei und stellten 22 „Huey“-Hubschrauber. Zugleich gaben sie gut 90 Millionen Euro für alternativen Anbau, vor allem von Kakao, Kaffee und Palmöl. Humalas Mannschaft zerstörte unzählige Sträucher, doch in die Kernregionen wagen sie sich offenbar nicht. Um die Täler von Apurimac, Ene und Mantaro, wo angeblich rund zwei Drittel des peruanischen Kokas angebaut werden, machen sie einen Bogen. Dort fürchten sie gewaltsamen Widerstand, Gangs schützen ihre Pfründe. Die Polizei geht von etwa 15 Drogenschmugglerbanden in der Region aus.
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