Anti-Atom-Protest in Greifswald: Regen, Schnee und Castor
Der erste Castor-Transport aus Frankreich in den Nordosten wird von Protesten begleitet: 3000 demonstrierten am Samstag in Greifswald – trotz winterlicher Temperaturen.
GREIFSWALD taz | Laut Polizei 2.800, laut Veranstalter etwa 3.600 Menschen – "von sachkundigen Ornithologen gezählt" – demonstrierten am Samstag in der Greifswalder Innenstadt, "um ihren Unmut gegen das Zwischenlager Nord, die Transporte und die Energiepolitik der Bundesregierung zu bekunden." Am kommenden Dienstag soll ein Castor-Transport im französischen Cadarache starten und hochradioaktiven Atommüll – unter anderem abgebrannte Brennelemente – aus dem Atomforschungszentrum Karlsruhe und dem Atomfrachter Otto Hahn ins Zwischenlager bei Lubmin bringen. Dort wird er am Donnerstag erwartet.
Fahnen der Republik Freies Wendland und vieler weiterer Gruppen wehten bei der Auftaktkundgebung am Greifswalder Bahnhof im Wind. Jene Demo-Teilnehmer, die mit einem Dutzend Bussen aus Braunschweig und dem Wendland, aus dem Raum Hamburg, Berlin und Rostock angereist waren, begrüßte Daniel Daedlow vom Anti-Atom-Bündnis Nord-Ost, aber besonderer Beifall galt den einheimischen Demonstranten, aus Vorpommern, von den Inseln Rügen und Usedom. Man hatte geahnt: die "waschechten Anti-Atom-Aktivisten", so Demo-Anmelderin Ulrike Berger, würden sich vom Winterwetter weniger schrecken lassen als vielleicht die weniger protesterfahrenen Greifswalder.
Mit 3000 bis 4000 Teilnehmern hatten die Veranstalter im Vorfeld gerechnet. Selbst wenn es letztlich nur knapp über 3000 waren, wie Berger mutmaßt, sei die Demo bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt, Regen zu Beginn, über 30 Kilometer starkem Westwind, Schneematsch und Eisglätte auf den Greifswalder Straßen für hiesige Verhältnisse dennoch ein Erfolg, "bunt, froh und friedlich".
Bei der Auftaktkundgebung forderte der Greifswalder Bischof Hans-Jürgen Abromeit eine verantwortungsvolle Energiepolitik: "Moral und Erfolg scheinen sich auszuschließen – das ist aber nicht wahr," merkte er mit Verweis auf die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko und die Atomenergie an. der DDR-Bürgerrechtler und Mitbegründer des "Neuen Forums" Johann-Georg Jaeger. DDR-Bürgerrechtler Johann-Georg Jaeger machte Stimmung für das windig-nassse Wetter, denn "jetzt drehen sich in Mecklenburg-Vorpommern Windräder mit 1500 Megawatt unter Volllast." Das bereite der Atomindustrie Kopfzerbrechen.
Das Zwischenlager Nord auf dem Gelände des stillgelegten DDR-Kernkraftwerks Greifswald war ursprünglich eingerichtet worden, um Atommüll aus den um die Vereinigung 1990 abgeschalteten und 1995 endgültig endgültig stillgelegten fünf Blöcken in Greifswald und aus einem Reaktorblock des Kraftwerks Rheinsberg (Brandenburg) aufzunehmen – darunter Brennelemente und radioaktive Bauteile aus dem Rückbau der Meiler. Der Transport aus Cadarache ist der erste, mit dem Atommüll aus anderen Regionen an die Ostsee verbracht wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja