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Anspruch auf Arbeitslosengeld IDie Grünen fordern Reformen

Das Arbeitslosengeld I soll zugunsten kurzfristig Beschäftigter reformiert werden. Auch eine Ausweitung der Nachbetreuung ist geplant.

Laut Brigitte Pothmer von den Grünen besitzt die Arbeitslosenversicherung für jeden vierten neuen Arbeitslosen keine Schutzfunktion mehr Foto: dpa

BERLIN dpa/epd | Fast jeder vierte Beschäftigte, der arbeitslos wird, erhält statt Arbeitslosengeld lediglich die Grundsicherung Hartz IV. Dies geht aus der Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Frage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Brigitte Pothmer her. Davon betroffen waren 2014 insgesamt 625.000 Menschen. Insgesamt rutschten im Vorjahr 2,65 Millionen Beschäftigte aus dem ersten Arbeitsmarkt in die Arbeitslosigkeit. Betroffen seien vor allem kurzfristig und prekär Beschäftigte.

„Für nahezu jeden Vierten, der arbeitslos wird, besitzt die Arbeitslosenversicherung keine Schutzfunktion mehr“, sagte die Fraktionsexpertin für Arbeitsmarktpolitik. Pothmer forderte die Koalition auf, die Arbeitslosenversicherung auf die veränderte Arbeitswelt auszurichten. „Im Zuge der Digitalisierung und der Entstehung neuer Beschäftigungsformen wird dieser Trend zunehmen.“

Pothmer kritisierte etwa, dass man binnen zwei Jahren mindestens zwölf Monate in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt haben muss, bevor man überhaupt Anspruch auf sechs Monate Arbeitslosengeld habe.

Zukünftig sollten Versicherte im Falle von Arbeitslosigkeit früher Leistungen beziehen und bereits nach vier Monaten Beitragszahlungen Anspruch auf zwei Monate Arbeitslosengeld haben, forderte die Politikerin. Die Bezugsdauer solle dann mit der Leistungsdauer steigen. Das steuerfinanzierte Hartz-IV-System würde so entlastet.

Ausweitung der Nachbetreuung

Die Bundesregierung will außerdem ehemalige Hartz-IV-Empfänger, die eine Arbeit gefunden haben, länger begleiten und unterstützen als bisher. Davon könnten nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit bis zu 300.000 bereits vermittelte Arbeitslose profitieren, berichtete die Welt am Sonntag. Das Bundesarbeitsministerium hat die Ausweitung der Nachbetreuung für alle ehemaligen Erwerbslosen in der Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag angekündigt.

Bislang gibt es eine Nachbetreuung nur für Aufstocker, die aufgrund ihres geringen Einkommens zusätzlich auf Hartz IV angewiesen sind, und für Beschäftigte, die vom Jobcenter gefördert werden. Es bestehe aber fachlicher Konsens, die gesetzliche Grundlage für eine „nachgehende Betreuung nach Entfallen der Hilfebedürftigkeit“ zu verbreitern, schreibt Staatssekretärin Anette Kramme.

Hintergrund ist, dass fast die Hälfte der ehemaligen Hartz-IV-Bezieher, die einen Job bekommen haben, nach einem halben Jahr wieder ohne Arbeit sind. Als wichtiger Grund dafür gilt fehlende Unterstützung in den ersten Monaten der Beschäftigung. „Die Zahl derer, die nach kurzer Zeit wieder in die Arbeitslosigkeit gehen, ist viel zu hoch. Eine gesetzliche Grundlage für die Unterstützung aller ehemals Erwerbslosen im neuen Job ist mehr als überfällig“, sagte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sabine Zimmermann, der Welt am Sonntag.

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3 Kommentare

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  • Die übliche (neoliberale) Verantwortungszuschreibung an das Individuum. Durch nachsorgende Begleitung und Betreuung soll verhindert werden, dass Menschen nach der Arbeitsaufnahme schnell wieder auf ALG II angewiesen sind. Meine VorschreiberInnen habe den wirklichen Grund dieses Drehtüreffekts bereits beschrieben.

    Das ehemalige ALG II Beziehende jetztz auch nach der Arbeitsaufnahme das Amt an den Hackne haben, weitet einfach deren Kontrolle, Disziplinierung und letztlich Überwachung aus.

    Der Drehtüreffekt ließe sich statistisch im Grunde einfach untersuchen. Sobald solche Stellen mehrfach nachbesetzt werden und stets nach 6 Monaten enden, würde es ja auf der Hand liegen [und ich vermute stark, dass sich solche Fälle vielfach finden ließen]

  • 3G
    3784 (Profil gelöscht)

    Eine Regelung, dass im Falle, der so Beschäftigte wird nach 6 Monaten wieder arbeitslos, auch der Eingliederungszuschuss wieder zurückzuzahlen sei, da ja auch die Eingliederung nicht gegeben, würde diese ungerechtfertigte Bereicherung der Abzocker schlagartig beenden.

  • Fast die Hälfte der Menschen, die aus der Arbeitslosigkeit heraus einen Job fanden, wird nach 6 Monaten wieder arbeitslos.

     

    Das könnte damit zusammen hängen, dass viele Unternehmen, die von der Arbeitsagentur oder dem Jobcenter, einen Eingliederungszuschuss in Anspruch nehmen, den meist nur für 6 Monate bekommen. Und nach 6 Monaten endet auch die Probezeit, sodass - im Sinne des Shareholder Value und Gewinnmaximierung - es günstig sei, dem früheren Arbeitslosen zu kündigen.

     

    Durch den Eingliederungszuschuss hat man eine qualifizierte Arbeitskraft - höchstens zum halben Preis gehabt. Und nun kann man einen neuen Arbeitslosen einstellen, dem der Eingliederungszuschuss bewilligt wurde.

     

    Und nicht zu vergessen: Die Arbeitslosen Menschen müssen auch kostenlose Praktika ableisten, wodurch oft 1 bis 3 Vollzeitarbeitsstellen bei betreffenden Unternehmen temporär ersetzt werden. Z.B. im Ersten wurde davon berichtet.