: Anschlußvertrag
■ Gysi lehnt den Einigungsvertrag ab
Berlin (ap/taz) — Der PDS-Vorsitzende Gregor Gysi hat im Namen seiner Fraktion den Einigungsvertrag abgelehnt. Gysi bedauerte, daß „es nicht zu einem Einigungs-, sondern nur zu einem Anschlußvertrag“ gekommen sei. Er äußerte, der Weg über den Paragraphen 23 des Grundgesetzes sei ungünstiger gewesen, als der über den Paragraphen 146. Die „Großmachtssucht“ Gesamtdeutschlands sei nicht in dem erforderlichen Maße eingeschränkt worden, sagte Gysi. Der Vertrag sei insbesondere mangelhaft, weil in ihm Gesetze enthalten seien, die weder die Volkskammer, noch der Bundestag verabschiedet hätten. „Soviel Vertrauensvorschuß hat sich die Regierung nicht verdient, daß man über Gesetze abstimmt, die man noch gar nicht kennt“, sagte Gysi. Die sozialen Interessen der Bürger aus DDR und BRD seien nicht ausreichend berücksichtigt. Er sprach sich gegen die Abschaffung des DDR-Systems der Kinderbetreuung aus. Dies sei eine „Verurteilung der Frauen zur Hausarbeit“. Gysi vermutete „ideologische Scheuklappen“ dahinter, daß es keine einzige DDR-Regelung gegeben habe, die gesamtdeutsch übernommen worden sei. Bei dem Vertrag sei „nichts weiter als eine Vergrößerung der Bundesrepublik“ herausgekommen. Deutschland werde nach einer Grundgesetzänderung „zukünftig doch noch Weltpolizist spielen können“, sagte der PDS- Vorsitzende. Bei den Zwei-plus- vier-Verhandlungen seien Chancen zu Abrüstung und Neutralität vertan worden, sagte Gysi. Er bedauerte, daß keine demokratische Alternative zum gesellschaftlichen System der Bundesrepublik Deutschland entwickelt worden sei. Vieles von der Volkskammer Erarbeitete falle mit dem Vertrag weg, so zum Beispiel die Gesetze zum Umgang mit den Stasi-Akten, im Gesundheitswesen, und das Vorerwerbsrecht für DDR- Bürger auf Grund und Boden. Auch der Abgeordnete Werner Scholz vom Bündnis 90/Grüne lehnte den Einigungsvertrag ab, da die Interessen der DDR-Bevölkerung nur unzureichend berücksichtigt seien. Der Vertrag markiere den „Kohl-Weg zur deutschen Einheit“.
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