Anschlagsserie in Afghanistan: Angriff auf Gästehäuser
Ein Talibankommando hat im Zentrum Kabuls 17 Menschen getötet. Ziel des Angriffs waren indische Einrichtungen.
Am Freitag Morgen gegen 6.30 Uhr ist die afghanische Hauptstadt Kabul wieder einmal durch den Knall einer Explosion geweckt worden. Ausgerechnet am Geburtstag des Propheten Mohammed griff ein Talibankommando zwei private Gästehäuser in einem bisher verschont gebliebenen Gebiet der zentralen Neustadt an. Noch um 13 Uhr (Ortszeit) waren Schüsse aus der weiträumig abgesperrten Gegend zu hören.
Nach vorläufigen Angaben wurden bei dem Angriff 17 Menschen getötet, darunter ein Berater des italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi, ein Franzose und drei afghanische Polizisten. Die meisten der umgekommenen Zivilisten seien Inder gewesen, so der Chef der Kabuler Kriminalpolizei, die anderen afghanische Passanten.
In den Gästehäusern lebten viele indische Zivilhelfer. Bei dem Angriff ging in der Nähe auch ein Einkaufszentrum mit Hotel in Flammen auf, in dem indisches und australisches Botschaftspersonal wohnte. Keiner der Ausländer dort scheint ernsthaft zu Schaden gekommen zu sein.
Erneut haben die Taliban damit eine ihrer sogenannten komplexen Attacken durchgeführt, bei denen Selbstmordattentäter den Weg für Kommandos frei sprengen, die sich dann in den angegriffenen Gebäuden festsetzen und so lange Widerstand leisten, bis sie umkommen – weltweites Medienecho inbegriffen. In ähnlicher Art haben sie bereits mehrmals in afghanischen Städten zugeschlagen. Im Juli 2008 tötete eine Autobombe vor der indischen Botschaft in Kabul 58 Menschen.
Der Zeitpunkt der neuen Angriffe ist diplomatisch brisant. Erst am Vortag hatte in Delhi die erste Runde indisch-pakistanischer Gespräche seit den Terrorangriffen vom November 2008 im indischen Bombay stattgefunden, die die bilateralen Beziehungen entspannen sollen. Die Spannungen zwischen Indien und Pakistan haben unter anderem mit Afghanistan zu tun: Pakistan beschuldigt Indien, als Entwicklungshelfer getarnte Agenten nach Afghanistan einzuschleusen, die gegen Pakistan arbeiten.
Die Angriffe auf indische Ziele in Kabul könnten ein Versuch sein, die indisch-pakistanische Entspannung zu untergraben. Sie kommen auch zu einer Zeit, da Pakistan gesprächsbereite Talibanführer verhaftet und dies Washington gegenüber als Wende in seiner Antiterrorismuspolitik verkauft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Scholz zu Besuch bei Ford
Gas geben für den Wahlkampf