piwik no script img

AnschlagspläneLondon verdächtigt Ärzte-Gruppe

Für die Anschlagsversuche in Großbritannien sind offenbar Mediziner aus arabischen Ländern verantwortlich. Geplant worden sein soll in Schottland.

In Alarmbereitschaft: Polizisten im Zentrum Londons Bild: ap

Die fehlgeschlagenen Bombenanschläge am vergangenen Wochenende in London und Glasgow sind offenbar von Ärzten verübt worden. Sechs der acht Personen, die bisher festgenommen wurden, haben als Mediziner im Nationalen Gesundheitsdienst Großbritanniens gearbeitet, eine weitere Person war als medizinische Assistentin tätig. Sie alle galten bisher als unverdächtig.

Am Montagabend wurde der 27-jährige Mohamed Haneef auf dem Flughafen im australischen Brisbane verhaftet. Der indische Arzt war in einem Krankenhaus in Liverpool angestellt. Dort wurde Samstagnacht ein 26-jähriger Arzt oder Medizinstudent festgenommen. Haneef nahm vergangenen September eine Stelle in der Notaufnahme des Gold Coast Hospital im ostaustralischen Queensland an. Ein zweiter Arzt, der ebenfalls früher in Liverpool gearbeitet hatte, wurde von der australischen Polizei verhört, aber wieder freigelassen.

Die britische Polizei hält den 26-jährigen Mohammed Asha, einen Jordanier palästinensischer Abstammung, für den Anführer der Terrorzelle. Er war am Samstag nach einer dramatischen Verfolgungsjagd auf der Autobahn M 6 in der nordenglischen Grafschaft Cheshire gemeinsam mit seiner Frau Marwah festgenommen worden. Asha war Neurologe im Krankenhaus von Stoke-on-Trent, seine Frau arbeitete dort als medizinische Assistentin. Ashas Familie in Jordanien hält ihn für unschuldig und hat König Abdullah II. gebeten, sich für ihn einzusetzen. Sein Bruder Abdel-Qader sagte: "Es muss sich um eine Verwechslung handeln."

Diese Möglichkeit besteht bei Bilal Abdulla nicht. Der irakische Arzt, der sein medizinisches Examen vor drei Jahren in Bagdad abgelegt hat, war Passagier in dem mit Benzin, Gaszylindern und Nägeln bepackten Auto, das vor der Haupthalle des Glasgower Flughafens in Flammen aufging. Der Fahrer, der sich mit Benzin übergoss und anzündete, soll ein libanesischer Arzt sein. Er liegt mit schweren Verbrennungen im Royal Alexandra Hospital im schottischen Paisley, wo er und Abdulla gearbeitet hatten. In der Nacht zu gestern nahm die Polizei zwei weitere Männer im Wohnbereich des Krankenhauses fest.

Es ist wegen des Ärztemangels in Großbritannien relativ leicht, eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Von den 240.000 Ärzten im Nationalen Gesundheitsdienst stammen 80.000 aus dem Ausland, 6.000 davon aus dem Nahen Osten. Ob al-Qaida die mutmaßlichen Attentäter deshalb gezielt zu Ärzten ausbilden ließ, ist bisher nicht bekannt. Dagegen spricht, dass die Anschläge sehr amateurhaft ausgeführt worden sind.

Die britische Polizei glaubt, dass die Planung für die drei Attentate in Schottland stattgefunden hat. Sie konnte anhand der automatischen Kennzeichenerkennung auf britischen Autobahnen den Weg der beiden Autos, die für die Londoner Anschläge benutzt wurden, von Schottland in die britische Hauptstadt nachvollziehen. Die Ermittler sind davon überzeugt, dass in Großbritannien geborene Terroristen an der Planung beteiligt waren. Solange diese nicht gefasst sind, bleibt die höchste Alarmstufe bestehen.

Innenministerin Jacqui Smith, die ihr Amt erst vor sechs Tagen angetreten hat, bemühte sich am Dienstag um die britischen Muslime. Sie versprach ihnen, dass sie keine neuen Gesetze durchs Parlament peitschen werde, durch die der muslimische Bevölkerungsteil weiter in die Isolation getrieben würde. Smith wurde bisher von allen Seiten - einschließlich der Tories und der konservativen Presse - mit Lob überhäuft. Die Tageszeitung Telegraph pries sie für ihre Kompetenz und Unaufgeregtheit, die in starkem Kontrast zu ihrem Vorgänger John Reid stehe. Sie verfalle nie in Panik, zitierte das Blatt einen Freund Smith': "Wenn ihre Kinder krank sind, befürchtet sie nicht sofort eine Hirnhautentzündung."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!