Anschlag auf Anwalt: Todesdrohung gegen Rocker-Kritiker
Genau ein Jahr nach einer Veranstaltung zu den Hells Angels in Walsrode verüben Unbekannte einen Anschlag auf das Haus eines Rechtsanwalts. Er gehört zu den wenigen, die sich öffentlich besorgt zeigten.
HAMBURG taz | Unbekannte haben einen Anschlag auf das Anwesen des Walsroder Rechtsanwalts Thomas Lasthaus verübt. In der Nacht zum Donnerstag zündeten sie den Müllcontainer der Familie an. Auf die Wand daneben malten sie ein Fadenkreuz und den Spruch: "Eine Kugel reicht." Die Polizei ermittelt wegen Sachbeschädigung und Bedrohung.
Auch wenn jeglicher Nachweis fehlt, drängt sich ein Zusammenhang der Tat mit den Aktivitäten der Rockergruppe Hells Angels in dem Ort zwischen Bremen und Hannover auf: Lasthaus ist einer der wenigen Honoratioren, die sich öffentlich wegen der Rolle der Hells Angels im Leben der Kleinstadt sorgten.
Genau vor einem Jahr hatte er sich bei einer Veranstaltung des grünen Ratsherrn Detlef Gieseke über den Einfluss der Rocker zu Wort gemeldet. Auf der Ankündigung stand: "Wie gefährlich sind die Hells Angels?" Drei Wochen vor der Veranstaltung war ein Auto der Familie Gieseke vor deren Grundstück verwüstet worden: mit Teer übergossen, die Scheiben eingeschlagen, die Reifen aufgestochen.
Die Hells Angels wurden 1948 in den USA gegründet.
Organisierte Kriminalität: Straftaten aus diesem Bereich sind Mitgliedern der Hells Angels immer wieder nachgewiesen worden. Ganze Teilorganisationen wurden verboten.
Menschenhandel: Die Staatsanwaltschaft Verden ermittelt gegen die Walsroder Rocker, weil sei in ihren Bordellen Frauen unter 21 Jahren beschäftigt haben sollen.
Zweifelhafter Wachschutz: Weil Wolfgang Heers Sicherheitsfirma GAB Security einen vorbestraften Wachmann beschäftigt hat, wurde ihr von der Stadt Walsrode ein Bußgeld von 1.200 Euro auferlegt.
Gieseke kritisierte die Kumpanei der städtischen Politik und Wirtschaft mit dem örtlichen Rocker-Boss Wolfgang Heer. Dieser betreibt ein kleines Imperium in Walsrode: eine Bowling-Bahn, ein Sportstudio, etliche Bordelle und eine Security-Firma, deren Dienste auch das Walsroder Stadtmarketing bisweilen in Anspruch nimmt. Sportverein und Feuerwehr freuen sich über Spenden des Unternehmers.
Aus Giesekes Sicht ist es nicht egal, woher dieses Geld kommt. Für ihn ist die Zusammenarbeit mit Heer "ein Unding". Die Polizei verdächtigt die Rocker der organisierten Kriminalität. Nach Angaben des Landeskriminalamtes sind sie seit 2009 bundesweit für vier Tötungsdelikte verantwortlich. Und Heer ist als Schatzmeister für Deutschland nicht nur ein kleines Licht in der Organisation.
Auch der Anwalt Lasthaus hat sich kritisch über die Rolle der Rocker in Walsrode geäußert. "Wenn Sie einmal was gesagt haben, werden Sie immer wieder gefragt", sagt er. Lasthaus hält es für falsch, mit einer zweifelhaften Organisation wie den Hells Angels Geschäfte zu machen und deren Geld in den Wirtschaftskreislauf zu schleusen. Mehrfach hat er Mandanten in diesem Themenzusammenhang betreut.
Lasthaus vertrat Gieseke, der behauptet hatte, Walsrodes parteilose Bürgermeisterin Silke Lorenz duze sich mit Heer. Die Sache endete mit einem Vergleich. Außerdem klagte er vor einigen Jahren für Schüler, die eine Abi-Party mit einem Sicherheitsdienst veranstalteten, der Heer nicht passte. Jungs aus Heers Security-Firma, dem Platzhirsch vor Ort, forderten die Konkurrenz auf, zu verschwinden. Die Party platzte. Die Schüler erstritten mit Hilfe von Lasthaus eine kleine Entschädigung.
"Das war eine Lappalie", findet Wolfgang Heer. Er habe vielleicht 150 Euro Schadenersatz bezahlen müssen. Heer sagt, er werde zu Unrecht mit dem Anschlag in Verbindung gebracht: "Wir haben nichts damit zu tun", beteuert er. Der Hinweis auf den Jahrestag sei an den Haaren herbei gezogen. Ein Jahrestag sei für ihn der 3. Oktober. "Wieso bin ich hier immer für alles verantwortlich?", fragt er. Wohl weil einige das Auftreten Heers und seiner Rocker-Kumpels als einschüchternd empfinden - was Heer für die Masse der Bürger bestreitet. Die meisten Menschen in Walsrode würden ihn nicht für besonders mächtig halten, behauptet Heer.
Aus Sicht des grünen Ratsherrn Gieseke ist der Zusammenhang, in dem der Anschlag auf Lasthaus steht, evident. "Wir wissen alle zumindest, was damit gemeint ist", sagt Gieseke. Er selbst habe nicht angegriffen werden können, weil das zu offensichtlich gewesen wäre. Lasthaus sei einer der wenigen Honoratioren gewesen, "die klar Stellung bezogen haben".
Dem Anwalt selbst "fallen nicht so wahnsinnig viele Leute ein, denen ich das zutraue". Unmutsbekundungen anlässlich seiner Arbeit könnten vorkommen, aber der Anschlag mit der Drohung gehe weit darüber hinaus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland