Anschläge in Pakistan: Taliban doch nicht besiegt
Die pakistanische Regierung und die Armee sagen, sie hätten die Taliban besiegt. Aber nun gibt es erneut Tote bei Kämpfen und Anschlägen.
DELHI taz | Mindestens sechs Menschen wurden getötet und mehr als ein Dutzend schwer verletzt, als am gestrigen Montag in Shabqadar im Nordwesten Pakistan in einer Tankstelle eine Autobombe in einem als Taxi genutzten Pick-Up explodierte. Drei der Toten waren Kinder. Aufnahmen pakistanischer Fernsehsender zeigten, wie sich blutüberströmte Verletzte in Sicherheit brachten.
Bislang bekannte sich niemand zu der Tat. Sie könnte jedoch der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Vergeltungsschlägen für den Tod von Pakistans Talibanchef sein: Baitullah Mehsud soll vergangene Woche bei einem US-Raketenangriff auf das Haus seines Schwiegervaters getötet worden sein. Die "pakistanischen Taliban" erkärten bereits, sie seien für zwei weitere Anschläge auf Sicherheitskräfte am Wochenende verantwortlich.
Im Swat-Tal nordöstlich von Islamabad waren am Samstag die Leichen von 18 mutmaßlichen Taliban-Kämpfern gefunden worden. Die pakistanische Armee erklärte, sie habe keine Ahnung, wie die Männer ums Leben gekommen seien. Es sei jedoch möglich, dass Anwohner die Männer getötet hätten, um Rache für die brutale Herrschaft der Militanten über das Swat-Tal in den vergangenen zwei Jahren zu nehmen.
Sollte sich das als richtig erweisen, dann würde das heißen, dass ein Plan der Regierung aufgeht: Diese hatte in den vergangenen Wochen darauf gedrängt, dass die mehr als zwei Millionen Menschen, die aus der Region des Swat-Tales vor den Kämpfen geflohen waren, in ihre Städte und Dörfer zurückkehren. Die Armee kämpft seit Mai im Swat-Tal gegen Anhänger einer Taliban-Miliz. Jedoch greifen dort bis heute Militante beinahe jeden Tag Sicherheitskräfte an.
In den letzten Monaten ist die Stimmung unter den Bewohnern des Swat-Tals zugunsten der Regierung gekippt, und so drängen Regierung und Armee nun auf eine Rückkehr der Flüchtlinge. Sie hoffen, die Anwohner würden sie im Kampf gegen die verbliebenen Taliban-Kräfte unterstützten. Doch der Anschlag von Shabqadar verdeutlicht, wie weit Pakistan noch von einem Ende der Auseinandersetzungen mit militanten Islamisten im Nordwesten des Landes entfernt ist.
Der Durchbruch soll politisch erfolgen: Anlässlich des pakistanischen Unabhängigkeitstages am vergangenen Freitag kündigte Präsident Asif Ali Zardari umfassende politische Reformen für die halbautonomen Stammesgebiete an der Grenze zu Afghanistan (FATA) an. Die Region gehört zwar formell zu Pakistan, wurde jedoch nie administrativ oder politisch in den pakistanischen Staat eingebunden. Die paschtunischen Stämme haben sich dort weitgehend selbst verwaltet. Doch nach dem US-geführten Einmarsch in Afghanistan im Jahr 2001 zogen sich die afghanischen Taliban in Pakistans Stammesgebiete zurückgezogen. Lokale radikalislamische Milizen bekamen dadurch Auftrieb. Nahezu die gesamten Stammesgebiete unterstehen heute der Kontrolle dieser Milizen, die sich Ende 2007 zum Verband der "Taliban-Bewegung in Pakistan" zusammenschlossen. Seitdem hat sich der Einflussbereich der Militanten rasch ausgeweitet. Islamistenmilizen haben in immer mehr Regionen außerhalb der Stammesgebiete Fuß gefasst. In ihren Gebieten haben die Pakistanischen Taliban Regierungsbeamte, Kritiker und Gegner getötet und hunderte von Schulen zerstört.
Die Abwesenheit politischer Parteien in der Region hat die Menschen in die Arme der Militanten getrieben, glauben Beobachter. Daher sollen zukünftig Parteien zugelassen werden. Außerdem soll eine Reihe von Sondergesetzen, die nur in den Stammesgebieten gelten, abgeschafft werden. Bislang durften Menschen ohne richterliche Anordnung gemäß Stammesrecht festgenommen wurden oder Angehörige vermeintlicher Straftäter bestraft werden.
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