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Anschläge auf türkische LädenHaft und Psychiatrie für Attentäter

Ein IS-Anhänger beging mehrere Taten im bayerischen Waldkraiburg. Grund waren laut Gericht sowohl seine Radikalisierung als auch eine Schizophrenie.

Ein zerstörtes türkisches Geschäft nach einem Brandanschlag in Waldkraiburg im Mai 2020 Foto: Angelika Warmuth/dpa

München afp/dpa | Im Prozess um Anschläge auf türkische Läden im oberbayerischen Waldkraiburg ist der Angeklagte am Freitag zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt worden – unter anderem wegen versuchten Mordes in 26 Fällen, schwerer Brandstiftung und der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Das Oberlandesgericht München verhängte außerdem die Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie.

Mit der Haftdauer blieb das Gericht unter der Forderung der Bundesanwaltschaft, die dreizehn Jahre und sechs Monate Haft verlangt hatte. Die Verteidigung hatte sieben Jahre Haft gefordert. Auch die Anklage forderte die Unterbringung des Mannes.

D., der sich selbst als Anhänger der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) bezeichnete, sorgte in der türkischen Gemeinde der oberbayerischen Kleinstadt Waldkraiburg mit mehreren Anschlägen und Anschlagsversuchen für Angst und Schrecken. Die folgenreichste Tat war ein Brandanschlag auf einen türkischen Supermarkt, der vollständig ausbrannte und auch das Leben von 26 Bewohnern der über dem Markt liegenden Wohnungen gefährdete.

Der Vorsitzende Richter Bösl sagte, „ohne die Schizophrenie sind die von dem Angeklagten verübten Anschläge in Waldkraiburg nicht denkbar.“ Allerdings seien die Taten ebensowenig ohne die religiöse Radikalisierung des Mannes zum Islamisten denkbar.

D. habe sich in kürzester Zeit radikalisiert und sei zu einem „ausgeprägten dschihadistischen Weltbild“ gekommen. Dabei habe der Sohn kurdischer Eltern einen „Türkenhass“ entwickelt.

Bösl sagte, „er hat sich selber als IS-Kämpfer gesehen. Er hat die Scharia als die einzige legitime Grundlage des Zusammenlebens angesehen.“ D. habe „eine bizarr anmutenden Privatideologie oder Privatreligion entwickelt“, deren zentraler Bestandteil ein Hass auf alle türkischen Menschen gewesen sei.

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1 Kommentar

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  • Wir haben kein Terrorismusproblem, sondern ein Problem mit gestörten Männern.



    Ob Halle oder Waldkraiburg, German Wings oder München, ect... überall enthemmte mehr oder weniger gestörte Männer.



    Das ist kein Terror im traditionellen Sinne mit Gewalt als politischem Mittel, das sind alles mehr oder weniger ideologisch verbrämte Amokläufe, also Selbst- und Menschenhassende Gewalt als Selbstempowerment mit abgestuft vorhandenem politischen Alibi.



    Die staatlichen (polizeilichen, schulischen und ärztlichen) Präventionsmaßnahmen müssen daher mit diesem Jung-Männerproblem beschäftigen.



    Der andererseits ebenfalls grassierenden oxidentalen und orientalen Epidemie chauvinistischer Reaktionäre bedienen sich dann diese Täter.



    Diese gesellschaftspolitische Epidemie zu bekämpfen ist dann Aufgabe der Linken und Liberalen. Nur eine konsequente Analyse erlaubt wirkungsvolle Maßnahmen.



    Dazu sollte die Feststellung gehöeren:



    1. Es gibt ein psycho-soziales Jungmännerproblem, das unabhängig von Ideologie und sozialer Herkunft ist. (Fast ausschließlich Männer zwischen 18 und 40 verüben schwere Gewalttaten)



    2. Reaktionäre gleichen sich in ihrem Hass auf die moderne Gesellschaft. Nur weil sie sich in ihrem rassen- und ideologiewahn gegenseitig Bekämpfen macht das KEINEN von ihnen zu Verbündeten. Nur weil Pimmelköppe Vollbärtige verdreschen, adelt das sie nicht zu Unterstützungswerten Opfern. Viele ´Befreiungs´bewegungen sind bestenfalls liberal, oft antimodern und selten wirklich links, vor allem wenn sie aus den USA oder dem Orient hier schwappen.