: Anreize für eine freiwillige Heimreise
In Brüssel wurde gestern über „illegale Einwanderung“ diskutiert. EU-Kommission setzt auf Programme für Rückkehrer
BRÜSSEL taz ■ Fremde ist man auf Fuerteventura und Gran Canaria gewöhnt – fallen doch jährlich tausende Touristen auf den Kanaren ein. Doch seit einigen Jahren kommen zunehmend ungebetene Gäste: afrikanische Flüchtlinge. Für sie sind die Inseln Eingangstor nach Europa.
Vor Ort werden sie enttäuscht: „Wir haben nur drei Auffanglager, und die sind überfüllt“, berichtete Antonio Gil Diaz von der kanarischen Regierung gestern bei einer Anhörung der EU-Kommission zum Thema Einwanderung. Mit jährlich rund 9.000 Flüchtlingen sei das kleine Inselreich überfordert. Diaz hofft auf Hilfe der EU: Mehr Entwicklungshilfe für die Herkunftsländer, Verstärkung der Grenzen, aber auch die Rückführung der Flüchtlinge sollten auf Gemeinschaftsebene geregelt werden.
Diese Richtung hat der Europäische Rat auf seinem letzten Gipfel in Sevilla vorgegeben. Ziel: Einen Raum der „Freiheit, Gerechtigkeit und Sicherheit“ schaffen – aber nicht für alle. Sicherheit heißt vor allem: Sicherung der Grenzen. Doch auch der stärkste Zaun kann illegale Einwanderung nicht verhindern.
Daher ging es gestern in Brüssel um die Frage: Wie wird die EU „Personen, die sich illegal aufhalten“ wieder los? Vertreter von Regierungen, lokalen und regionalen Behörden sowie Flüchtlingsorganisationen debattierten über ein Grünbuch der EU-Kommission zu diesem Thema. Es betrifft drei Gruppen: abgelehnte Asylbewerber, Menschen, die trotz Ablauf ihres Visums oder einer Aufenthaltsgenehmigung in der EU bleiben, und solche, die illegal eingereist sind. Die EU-Kommission schlägt vor, dass die Mitgliedsstaaten Programme entwickeln, die Flüchtlingen eine freiwillige Rückkehr erleichtern. Diese Programme sollen Vorrang vor Zwangsabschiebungen haben, nicht nur aus humanitären Gründen: Flüchtlinge, die freiwillig zurückgehen, verursachen weniger Verwaltungsaufwand.
Trotzdem stieß dieser Vorschlag auf Widerstand: „Wir wollen keine Regelung, die illegale Einwanderer belohnt, nur weil sie wieder ausreisen“, machte die Vertreterin der dänischen Regierung klar. Wenn man Zwangsabschiebungen vermeiden wolle, müsse es Anreize geben, bemerkte der niederländische Justizminister. Das Problem ist, dass es praktisch keine Erfahrungen mit solchen Rückkehrprogrammen gibt. Bekannt sind nur Beihilfen für geduldete Flüchtlinge, wie für Bosnier, die nach dem Bürgerkrieg zurückgingen.
Selbst dabei gab es Probleme: „Es ist völlig unmöglich, Leute in Dörfer zurückzuschicken, in denen kein Haus mehr steht“, sagte ein Kommissionsvertreter. Allerdings hängt das auch davon ab, unter welchen Bedingungen Flüchtlinge im Gastland leben, gab Doris Peschke von der kirchlichen Kommission für Flüchtlinge zu bedenken. So habe die Rückkehr bosnischer Flüchtlinge aus Nordrhein-Westfalen, die dort arbeiten konnten, wesentlich besser funktioniert als aus Brandenburg. Solche Erfahrungen sollen die EU-Staaten nach dem Willen der Kommission austauschen. Jedoch auch ihre Praktiken zur Zwangsabschiebung. Immerhin sollen dafür Mindeststandards formuliert werden. BARBARA SCHÄDER
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