Anreize für Arbeitsaufnahme: Zoff über Prämie für Arbeitslose
Das Bundeskabinett war sich einig. Doch plötzlich will in den Regierungsfraktionen niemand mehr 1.000 Euro für eine Jobaufnahme zahlen.
Dazu gehören unter anderem schärfere Sanktionen, wenn Arbeit abgelehnt wird. Aber eben auch die sogenannte Anschubfinanzierung für Langzeitarbeitslose. Menschen, die für längere Zeit erwerbslos sind, sollen eine Prämie von 1.000 Euro bekommen, wenn sie einen sozialversicherungspflichtigen Job annehmen und ihn mindestens für ein Jahr behalten.
An diesem Vorhaben gibt es Kritik. „Wie will man das den Millionen Arbeitnehmern in Deutschland erklären, die jeden Tag das Land am Laufen halten?“, fragte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann in der Bild. Doch auch in den Regierungsparteien stieß die Idee der Prämie auf Ablehnung.
Dagegen sprächen „viele fachliche Argumente“, erklärte etwa Martin Rosemann, sozialpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, der taz. Für die meisten Bürgergeldbeziehenden sei „die Frage, ob sie arbeiten oder nicht, keine finanzielle Frage“. Es gehe vielmehr um fehlende Berufsabschlüsse, Schwierigkeiten bei der Kinderbetreuung oder gesundheitliche Probleme. Solche Vermittlungshemmnisse ließen „sich mit einer einmaligen Prämie nicht lösen“.
Müller-Gemmeke (Grüne) kritisiert das Vorhaben
Auch der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler forderte, das Vorhaben zu stoppen, und verwies auf die angespannte Haushaltslage. Anders argumentierte die Bundestagsabgeordnete Beate Müller-Gemmeke (Grüne), die sich aber auch gegen die Prämie aussprach. „Langzeitarbeitslose Menschen wollen arbeiten, auch ohne Prämie“, erklärte sie der taz.
Sie kritisierte, dass „Alleinerziehende und Familien mit mehreren Kindern nicht von der Prämie profitieren könnten, weil sie trotz Arbeit häufig zusätzlich auf Bürgergeld angewiesen sind“. Besser sei es daher, die Freibeträge zu erhöhen, „damit die Menschen mehr von ihrem Lohn behalten können“.
Das grün geführte Bundeswirtschaftsministerium verteidigte in einer Erklärung das Vorhaben. Damit solle „die Aufnahme regulärer, dauerhafter Beschäftigungsverhältnisse gestärkt werden“. Die Prämie bilde „ein Gegengewicht zu den hohen Transferentzugsraten bei Aufnahme einer Beschäftigung aus dem Bürgergeld heraus“. Zudem erhofft sich das Ministerium auch „relevante Kostenersparnisse“.
Das Wirtschaftsministerium betonte, dass es ein „gemeinsames Vorhaben der Bundesregierung“ sei, das im Rahmen der Wachstumsinitiative auf den Weg gebracht worden sei. Das Bundesarbeitsministerium hielt sich auf Nachfrage bedeckt: Das weitere Verfahren liege „nun in den Händen des Parlaments“.
Die Grundidee stammt vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB Nürnberg). Dort wird argumentiert, dass zu hohe Freibeträge negative Folgen hätten. Dadurch „würde insbesondere der Niedriglohnsektor durch aufstockende Leistungen umfassend subventioniert“. Das wäre bei einer Anschubhilfe nicht der Fall.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren