Anna Klöpper über die Forderung nach einem Moratorium für die Inklusion: Richtige Analyse, falsche Konsequenz
Anna Klöpper
ist Redakteurin für Bildung.
Der Chef des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, hat der Welt ein Interview gegeben: Darin geht es zunächst ganz allgemein um die bildungspolitischen Versprechen einer zukünftigen Groko und dann ganz konkret um das Dauerthema Inklusion. Meidinger sagt, dass das gemeinsame Lernen von behinderten und nichtbehinderten Kindern die Schulen überfordere. Er sagt, dass man sich also über die schlechten Ergebnisse der GrundschülerInnen bei den letzten Leistungsvergleichen nicht wundern müsse. Meidinger will deshalb, dass man ein bisschen Pause macht mit der Inklusion.
Klar, der Mann hat recht: Die Ressourcen, mit denen die Inklusion umgesetzt wird, sind miserabel. Das gilt auch für Berlin, wo die Bildungssenatorin selbst die glühendste Anhängerin des Inklusionsgedankens ist und die bundesweit meisten Inklusionskinder in ganz normalen Schulen sitzen. Nicht umsonst schicken viele betroffene Eltern ihr Kind lieber weiterhin auf eine Förderschule, wo die Klassen kleiner und die Lehrkräfte ausgebildete SonderpädagogInnen sind (und nicht nur ein paar Grundsatzvorlesungen über Inklusion im Studium hatten).
Natürlich hat Meidinger auch recht, wenn er sagt: eigentlich bräuchte man ständig eine zweite Lehrkraft im Klassenraum für die Inklusionskinder. Und natürlich ist das alles keine neue Erkenntnis und angesichts des Lehrermangels, gerade auch in Berlin, zudem eine völlig aussichtslose Forderung.
Natürlich ist die Konsequenz, die Meidinger zieht – ein Moratorium – trotzdem die falsche, und scheinheilig ist sie dazu: Denn man darf sich ja nichts vormachen bei der Inklusion: Der Gedanke, wie ihn die UN-Behindertenrechtskonvention definiert hat, ist (noch) eine schöne Utopie. Uneingeschränkte Teilhabe, auch in der Schule, als der Normalfall? Selbstverständlich ist da der Weg das Ziel. Wenn man auf diesem Weg anhalten will, hat man das nicht verstanden. Erst Idealbedingungen schaffen wollen, bevor man mit der Inklusion weitermacht – das ist kein Moratorium, sondern eine Absage an Inklusion.
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