piwik no script img

Angst vor InflationEZB zieht Zinserhöhung durch

Trotz Turbulenzen erhöht die Zentralbank den Leitzins kräftig. „Der Bankensektor ist stärker als 2008“, betont EZB-Präsidentin Lagarde.

„Wir sind entschlossen, die Inflation zu bekämpfen. Das sollte nicht angezweifelt werden“, betonte Lagarde Foto: Boris Roessler/dpa

Berlin taz/rtr/dpa | Weil für sie stabile Preise Priorität haben, hat die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag wie geplant den Leitzins erneut um 0,50 Prozentpunkte auf nun 3,5 Prozent angehoben. Der Rat der Notenbank in Frankfurt am Main beschloss damit die sechste Zinserhöhung in Folge seit Juli 2022.

Damit hielt sie trotz der Unsicherheit im Bankensektor nach dem Kollaps mehrerer kleinerer US-Institute und den Sorgen um die Schweizer Großbank Credit Suisse an ihrer bereits in Aussicht gestellten kräftigen Zinserhöhung fest. „Der Bankensektor ist viel, viel stärker als 2008“, betonte EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Der Sektor sei widerstandsfähig, Kapital- und Liquiditätspositionen solide.

Die EZB verfüge zudem über alle geldpolitischen Instrumente, um das Finanzsystem des Euroraums wenn erforderlich mit Liquiditätshilfen zu unterstützen. „Wir sind entschlossen, die Inflation zu bekämpfen. Das sollte nicht angezweifelt werden“, betonte Lagarde.

In der Nacht zum Donnerstag hatte die Schweizer Großbank Credit Suisse Milliardenhilfen der Zentralbank in Zürich akzeptiert – und damit die in Panik geratenen Finanzmärkte beruhigt. Gegen zwei Uhr in der Früh teilte die zweitgrößte Bank des Landes mit, sie wolle sich bei der Schweizerischen Nationalbank bis zu 50 Milliarden Franken leihen.

„Im Bedarfsfall Liquidität“

Diese hatte der Credit Suis­se unter Verweis auf deren Bedeutung für das Finanzsystem „im Bedarfsfall Liquidität“ offeriert. Die am Mittwoch um 24 Prozent eingebrochenen Aktien der Bank erholten sich am Donnerstag deutlich. „Diese Maßnahmen stärken unsere Bilanz und unsere Kapitalposition weiter“, hieß es in einer Mitteilung. Nun gehe es darum, den Umbau zu einer „einfacheren und fokussierteren Bank“ schleunigst umzusetzen.

Andreas Venditti, Analyst beim Investmenthaus Vontobel, erklärte, er hoffe, dass das Einschreiten der Zentralbank helfe: „Dies ist ein starkes und wichtiges Signal. Es wird jedoch einige Zeit dauern, bis das Vertrauen in die Marke wieder vollständig hergestellt ist.“ Der Umbau sei „eine Herkulesaufgabe, die entsprechend Zeit brauchen wird“, sagte Daniel Bosshard von der Luzerner Kantonalbank. Grundsätzlich sei die Credit Suisse eine intakte Bank.

Das Institut steckt nach zahlreichen Skandalen mitten in einem tiefgreifenden Umbau, der Milliarden kostet und den Abbau von 9.000 Stellen umfasst. Am Ende soll daraus eine Bank entstehen, die vor allem auf das Geschäft mit Millionären und Milliardären setzt und nicht mehr auf das Investmentbanking.

Unmittelbar ausgelöst worden war der Kursverfall der Credit Suisse vom Kollaps der kalifornischen Silicon Valley Bank (SVB). Schnell fokussierten sich die Finanzmärkte auf die geschwächte Credit Suisse als möglicherweise nächsten Problemfall der Branche. Sie habe in fünf von neun Jahren seit 2013 rote Zahlen geschrieben, sagte Luis Arenzana, Gründer von Shelter Island Capital Management.

8,5 Prozent Inflation in der Eurozone

Hinzu kam die Ankündigung des neuen Großaktionärs Saudi National Bank, kein frisches Geld geben zu können. Das Institut könne aus aufsichtsrechtlichen Gründen nicht mehr als 10 Prozent an der Credit Suisse halten, hatte Präsident Ammar Al Khudairy am Mittwoch gesagt – und damit die Krise für das Geldhaus ausgelöst.

Die EZB ließ der Fall der Credit Suisse, der am Mittwoch in Europa Bankentitel an den Börsen abstürzen ließ, kalt. „Es gibt keinen Zielkonflikt zwischen Preisstabilität und finanzieller Stabilität“, sagte Lagarde.

Die von der Zentralbank angestrebte Teuerungsrate von 2 Prozent ist seit Monaten nicht mehr eingehalten worden. Zwar hat sich die Inflation in den vergangenen Monaten tendenziell abgeschwächt, zuletzt aber nur langsam. Im Februar lag sie in der Eurozone bei 8,5 Prozent, nach 8,6 Prozent im Januar. Vor allem hohe Energie- und Lebensmittelpreise heizen die Inflation an. Finanzminister Christian Lindner (FDP) betonte, das deutsche Kreditwesen sei stabil. „Und dafür sorgen wir auch weiter“, sagte er in der ARD.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Das ist mal krass. Irgendeinen tot musste die EZB hier sterben. Die Zinserhöhung durchziehen und den Markt in Bedrängnis bringen oder die Zinserhöhung kleiner werden lassen bzw. verschieben, was auch Glaubwürdigkeit gekostet hätte. Und natürlich das Inflationsproblem weiter vestärkt hätte.

    Das die EZB aber tatsächlich den großen Zinsschritt geht, nachdem sie über extrem viele Jahre das Gegenteil gemacht hatte, ist eine große Überraschung. Chapeau.

    • @Mangahn:

      Ach, Quark. Die Probleme liegen woanders. U.a. in der Einkommensverteilung.

    • @Mangahn:

      > Die Zinserhöhung durchziehen und den Markt in Bedrängnis bringen ...

      Es sind Investoren, die hier vielleicht in Bedrängnis kommen, nicht "der Markt" an sich.

      Natürlich kann man darüber streiten, ob etwas für die Allgemeinheit gut ist. Aber es gibt immer noch verschiedene Akteure und Interessen, und es ist ein Problem des Neoliberalismus, dass die Interessen regelmäßig unsichtbar werden und hinter einem anonymen "Markt" verschwinden.

      Sehr viel berechtigter ist die Frage, wie dies sozial Schwächere berührt.

      Die sind aber eben auch nicht "der Markt". Vielleicht werden Wohnungen ja auch mal wieder billiger, wenn sich rein spekulative Investments weniger lohnen? Wer weiß?