Angriff auf afghanische Politiker: Dutzende Tote bei schwerem Anschlag
Heftiges Selbstmordattentat im Norden Afghanistans: Mehrere Abgeordnete und ein ehemaliger Minister sind unter den Opfern, Kinder wurden verletzt.
MASAR-I-SCHARIF taz/rtr/ap Ein Selbstmordattentäter hat sich am Dienstag in Afghanistan in einer Gruppe von Abgeordneten und Stammesvertretern in die Luft gesprengt und dabei Dutzende Menschen mit den Tod gerissen. Die Zahl der Toten liege bei mehr als 90, sagte der Direktor eines Krankenhauses am Dienstag. Ein Abgeordneter berichtete, mindestens sechs seiner Kollegen seien unter den Opfern. Die Abgeordneten besichtigten zusammen mit den Stammesvertretern nördlich von Kabul eine Zuckerfabrik. Unter den vielen Verletzten sollen auch Kinder sein.
Der afghanische Fernsehsender Tolo TV berichtete, mehr als hundert Menschen seien bei der Explosion getötet oder verletzt worden. Unter den getöteten Abgeordneten ist auch Sajed Mustafa Kasimi, ein früherer afghanischer Handelsminister und mächtiger Politiker der Nordallianz.
Im zentralen Hochland von Afghanistan haben unterdessen rund 60 Taliban-Kämpfer die Bezirkshauptstadt Kadschran beschossen. Sie vertrieben die Polizisten und unterbrachen die wichtigste Straßenverbindung der Region, wie der Gouverneur der Provinz Day Kundi, Sultan Ali Urusgani, am Dienstag mitteilte. Ein Abgeordneter aus Kadschran erklärte, zehn Soldaten und ein hoher Polizeioffizier seien in den Händen der Taliban.
Der Gouverneur sagte, er habe die Regierung in Kabul und die NATO vergeblich um Verstärkung gebeten. Der Bezirk grenzt an die Provinzen Helmand und Urusgan, in denen es in diesem Jahr ebenfalls zu heftigen Kämpfen gekommen ist.
Der Bezirk Kadschran ist schon der dritte, den die Taliban seit der vergangenen Woche in ihre Hand gebracht haben. Ein mutmaßlicher Taliban-Kommandeur, der sich Mullah Muhiddin nannte, erklärte, die Taliban kontrollierten den ganzen Bezirk. Ein neuer Führer für den Bezirk werde in Kürze ernannt.
Die islamisch-fundamentalistische Miliz kontrolliert auch zwei Bezirke in der westlichen Provinz Farah, Bakwal und Gulistan. In der Vergangenheit haben die Taliban oft abgelegene Bezirke eingenommen, diese dann aber unter dem militärischen Druck der Regierungstruppen und der NATO wieder räumen müssen. Schon seit Ende Februar halten die Taliban die Bezirkshauptstadt Musa Kala in der Provinz Helmand besetzt.
Die Kämpfe in Afghanistan sind in diesem Jahr eskaliert. Seit Jahresbeginn kamen mehr als 5.600 Menschen ums Leben, die meisten von ihnen in den Reihen der Aufständischen.
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