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Angriff als Programm

■ Erneut wurden in Rumänien Journalisten zu harten Strafen verurteilt. In dem Land fehlt aber nicht nur jeder Schutz für die Presse, sondern auch vor ihr: Kampagnenjournalismus dominiert

Prozesse gegen Journalisten gehören in Rumänien seit Jahren zum Medienalltag. Derzeit laufen Dutzende von Klagen gegen fast alle der zwölf überregionalen Tageszeitungen – Verfahren, die kaum noch Aufsehen erregen. In den letzten Tagen jedoch rangiert das Thema wieder ganz oben in den Medien: Denn erstmals seit 1989 mußte jetzt ein rumänischer Journalist wegen seiner Berichterstattung ins Gefängnis.

Cornel Sabou, Chefredakteur einer lokalen Presseagentur im nordrumänischen Baia Mare, trat Anfang des Monats eine zehnmonatige Haftstrafe an, zu der er wegen Verleumdung verurteilt worden war. Sabou hatte Anfang 1997 als Korrespondent der Tageszeitung Ziua über einen Rechtsstreit zwischen einer Richterin und ihren Nachbarn berichtet. Sabou hatte der Richterin Korruption, Dokumentenfälschung und illegale Einflußnahme auf Behörden vorgeworfen. Die Richterin, Mariana Iancu, hatte ihn daraufhin wegen Verleumdung verklagt und nach mehreren Instanzen gewonnen.

Es war der zweite Prozeß dieser Art: Vor wenigen Wochen waren in der nordostrumänischen Metropole Iasi zwei Journalisten ebenfalls wegen Verleumdung einer Richterin verurteilt worden. Im Mai hatten die beiden Journalisten der Richterin Otilia Susanu und ihrem bei der Polizei beschäftigten Mann Petre illegale Geschäfte vorgeworfen. Nach einem Schnellprozeß bekamen die beiden Journalisten daraufhin Ende Juli Höchststrafen: jeweils ein Jahr Gefängnis, Verlust der bürgerlichen Rechte sowie Zahlung von umgerechnet 300.000 Mark Schmerzensgeld.

Die Empörung rumänischer Journalisten über die Fälle ist nahezu einhellig. Nicht grundlos: Korruption, illegale Beeinflussung von Entscheidungen und andere strafbare Delikte sind in der rumänischen Justiz weit verbreitet. Während politische Affären, auch wenn es um Milliardensummen geht, von der Justiz meistens milde geahndet werden, verhängen Richter bei geringfügigen Delikten oft unverhältnismäßig hohe Strafen. Die Presse ist häufig die einzige Instanz, deren Druck zumindest teilweise eine Änderung solcher Praktiken bewirkt.

Andererseits ist die rumänische Presse auch oft selbst Teil des Problems: Nur selten halten rumänische Journalisten ihre Berufsregeln ein, wie auch die Artikel der jetzt betroffenen Journalisten zeigen. Der nun inhaftierte Journalist Cornel Sabou hatte für einige seiner Anschuldigungen gegen die Richterin keine glaubwürdigen Belege präsentieren können. Der Artikel der beiden Journalisten aus Iasi entspricht zwar eher journalistischen Kriterien, enthielt aber offenbar anfechtbare Aussagen.

Dabei zählen Artikel wie diese noch zu den harmloseren. Vor allem in den Printmedien enthält Kritik an öffentlichen und Amtspersonen oftmals grundlose und rüde Anschuldigen, Beschimpfungen oder falsche Informationen. Bekannt dafür ist unter anderem auch Ziua, als deren Korrespondent Cornel Sabou arbeitete. Das Blatt mußte sich deshalb bereits zahlreiche Prozesse gefallen lassen, darunter vor zwei Jahren den wohl prominentesten Presseprozeß im postkommunistischen Rumänien. Ziua hatte behauptet, daß Ex-Präsident Ion Iliescu ein KGB-Agent gewesen sei, ohne dafür Beweise zu erbringen. Chefredakteur Sorin Rosca Stanescu, selbst ein ehemaliger Informant der kommunistischen Geheimpolizei Securitate, wurde nach einem mehrjährigen Prozeß im Frühjahr letzten Jahres freigesprochen. Manche Zeitungen haben sich sogar auf Schmutzkampagnen gegen Politiker und Prominente spezialisiert: Atac la persoana („Angriff auf die Person“) nennt sich ein populäres Wochenblatt unverhohlen. Von derlei Programmatik distanzieren sich nur wenige Blätter wie die beiden Wochenzeitungen 22 und Dilema, in denen hauptsächlich bekannte Intellektuelle schreiben.

Erschwerend kommt in den rumänischen Medien hinzu, daß viele Zeitungen, Fernseh- oder Radiosender von Parteien oder Politikern beherrscht werden. Andererseits gibt es keine klaren juristischen Regeln für Gegendarstellungen: Ein Pressegesetz existiert nicht, und die Paragraphen aus dem Strafgesetzbuch, aufgrund derer Journalisten verurteilt werden können, sind äußerst weit gefaßt.

An dieser Situation liegt es auch, daß die Journalisten aus Baia Mare und Iasi zu unverhältnismäßig hohen Strafen verurteilt wurden. Ihnen bleibt jetzt noch die Möglichkeit einer sogenannten „Berufung durch Annullierung“ des Prozesses, die lediglich der Justizminister aussprechen kann und die praktisch einer Begnadigung gleichkommt. Keno Verseck

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