Angefeindete Bürgermeisterin in Sachsen: Beistand gegen Hass
Die parteilose Barbara Lüke wird regelmäßig angefeindet. Nun hat der Bundespräsident sie in Pulsnitz besucht, um über politische Kultur zu sprechen.
Im Sommer kursierte für ein paar Wochen ein Gerücht in der sächsischen Kleinstadt Pulsnitz nahe Dresden. Bürgermeisterin Barbara Lüke würde hinschmeißen, hieß es, ihr Ehemann habe ein Jobangebot im Saarland bekommen. Lüke befand sich zu dieser Zeit gerade im Frankreichurlaub. „Da ist aber auch gar nichts dran“, teilte sie der Sächsischen Zeitung auf Nachfrage mit. Immerhin gebe es noch genug zu tun.
Die 1968 in Hildesheim geborene Lüke arbeitet eigentlich bei der Sächsischen Aufbaubank in Dresden. Seitdem sie 2016 zur Bürgermeisterin der „Pfefferkuchenstadt“ gewählt wurde, wie man Pulsnitz aufgrund seiner berühmten Lebkuchenfabrik nennt, ist sie von dieser Tätigkeit freigestellt.
Erst im Sommer waren sie und 14 andere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Schloss Bellevue zu Gast, um Frank-Walter Steinmeier von den täglichen Anfeindungen gegen sie als Lokalpolitiker zu erzählen. Kurz zuvor war der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke mutmaßlich von einem Rechtsextremen erschossen worden. Steinmeier sah darin ein „Alarmzeichen für die Demokratie“.
Schlagartig in den Schlagzeilen
Es gehöre zu ihrem Alltag, „Fotze aus dem Rathaus“ genannt zu werden, ließ Bürgermeisterin Lüke den Bundespräsidenten damals wissen. Und auch diese Zusammenkunft mit ihm werde ihr nur wieder Ärger einbringen.
Im Juli 2017, zu diesem Zeitpunkt ist die parteilose Lüke knapp ein Jahr im Amt, wird die 16-jährige Linda W. aus Pulsnitz im Irak verhaftet – wegen Mitgliedschaft in der Terrormiliz „Islamischer Staat“. Bekannt wird der Fall erst Monate später. Dann aber ist das 7.500-Einwohner-Städtchen schlagartig in den Schlagzeilen.
Lüke reagiert mit viel Empathie, wünscht der Familie baldige Gewissheit über das Strafmaß. „Sie leiden darunter, weil sie nicht verhindern konnten, dass Linda weggegangen ist“, sagt sie damals gegenüber Journalisten. Lükes Widersacher sind ihr gegenüber nicht so rücksichtsvoll. Auch der Abriss einer maroden Sportstätte sorgt für einen Shitstorm.
Wenig Polizei, viel Hass
In Pulsnitz gehe es zwar nicht „um das Messer am Hals“, sagt Lüke, aber „die vielen kleinen Anfeindungen ergeben ein hässliches Gesamtbild“. Mittwochmorgen in der Pfefferkuchenstadt: Diesmal ist Steinmeier zu Besuch. Er trägt sich in das Goldene Buch des Ortes ein.
Zusammen mit dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer ist er hierher gekommen, um über das politische Klima in der Region zu sprechen. Und: Er will Lüke beistehen. Wir müssten wieder lernen, „unterschiedliche Meinungen auszuhalten“, sagt der Bundespräsident. Auch Lüke beklagt, bei vielen Menschen fehle „jede Bereitschaft dafür, sich auf Sachargumente einzulassen“.
Und noch etwas fehle in ihrer Region: Auf einem Gebiet von 78 Quadratkilometern gebe es lediglich zwei Streifenwagen, bemerkt die Bürgermeisterin. Eines der wenigen Einsatzfahrzeuge stattete ihr gerade einen Besuch ab. Ihr Haus war in der Nacht mit Eiern beworfen worden – wieder mal.
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