Angeblich Deal mit Holbrooke: Karadzic belastet "US-Schutzengel"
Nach der Verhaftung wird die Legende aufgewärmt, US-Diplomat Richard Holbrooke hätte einen Deal mit dem als Kriegsverbrecher angeklagten Ex-Präsidenten gemacht.
SARAJEVO taz Mit der Verhaftung von Radovan Karadzic scheinen einige Vorgänge nach dem Krieg in Bosnien erhellt zu werden. Der Belgrader Blic berichtete, der als Kriegsverbrecher angeklagte bosnisch-serbische Expräsident soll bis 2000 unter dem Schutz der USA gestanden haben. Weil Karadzic aber die Absprache, sich vollkommen aus der Politik zurückzuziehen, auf die man sich am 19. Juli 1996 in Belgrad geeinigt haben soll, gebrochen habe, sei der Deal hinfällig geworden.
Die CIA habe ein Telefonat abgehört, aus dem klar hervorgegangen sei, dass Karadzic noch 2000 seine Partei SDS geleitet habe. Aus Verärgerung darüber sei der "informelle Schutz" für Karadzic aufgehoben worden, der ihn auch vor dem Zugriff anderer Geheimdienste geschützt habe, berichtete Blic. Der frühere bosnisch-serbische Außenminister Aleksa Buha sagte Radio Belgrad, Richard Holbrooke habe ihm gegenüber damals die Abmachung bestätigt.
Das Gerücht, Holbrooke, der als "Architekt" des Daytoner Friedensvertrags gilt, habe mit Karadzic einen Deal ausgehandelt, tauchte in Bosnien schon im Sommer 1996 auf und wurde von Holbrooke immer wieder bestritten, so auch gegenüber der taz. In der Tat gibt es keine schriftliche Vereinbarung, die Karadzic nun vorlegen kann. Angesichts des Wahlkampfs in den USA - Holbrooke hat Chancen, unter einem künftigen demokratischen Präsidenten Außenminister zu werden - ist es im Interesse serbischer Extremisten, einen Wahlsieg der Demokraten mit derartigen Indiskretionen zu verhindern. Holbrooke selbst antwortete in einem CNN-Interview: "Nach seiner Flucht verbreitete Karadzic die Desinformation, ich hätte eine Abmachung mit ihm geschlossen, er werde nach seiner Flucht nicht verfolgt. Diese Erklärung ist absolut erlogen", eine solche Abmachung wäre moralisch verurteilenswert und illegitim gewesen. Tatsache ist, dass man im Verhalten der US-Amerikaner, anderer westlicher Truppen und Polizisten im Nachkriegsbosnien gewisse Ungereimtheiten ablesen kann. So gibt es Berichte von Augenzeugen, die 1996 gesehen haben wollen, wie Karadzic mit seinem Fahrzeug Straßensperren der Ifor-Truppen in Brcko passieren konnte. Der Ifor-Oberkommandierende, US-General Leighton Smith, erklärte 1996 öffentlich, Ifor-Truppen seien nicht befugt, Kriegsverbrecher festzunehmen. Dafür sei die internationale Polizei zuständig. Deren Sprecher jedoch wiesen dies zurück, die Polizei könne angesichts ihrer Ausrüstung solche Aufgaben nicht schultern. Auffällig war auch, dass einige Versuche, Karadzic zu ergreifen, von Informanten innerhalb der internationalen Institutionen verhindert wurden. So musste der französische Verbindungsoffizier in Pale, Herve Gourmelon, 1997 Bosnien verlassen, weil er eine Ifor-Aktion an Karadzic verriet.
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