Angeblich Atomsteuer geplant: "Ökostalinist" Gabriel
Die Meldung über eine angebliche Atomsteuer heizt den Streit in der großen Koalition an. Die Union nennt den Umweltminister Sigmar Gabriel einen "Ökostalinisten".
Hat er es nun vorgeschlagen oder hat er es nicht? Der Spiegel hatte am Wochenende berichtet, Umweltminister Sigmar Gabriel schlage eine Steuer auf Atomstrom vor. Der SPD-Politiker plädiere in einem internen Papier für eine "Brennelemente-Steuer" in Höhe von 1 Cent pro erzeugter Kilowattstunde Atomstrom. Das Bundesumweltministerium (BMU) jedoch dementierte die Meldungen gestern umgehend: "Das ist nicht unsere Position", sagte ein Ministeriumssprecher, "es gibt kein solches internes Papier des BMU."
Kaum überraschend waren die Proteste von der CDU/CSU. "Eine Sondersteuer auf Atomstrom kommt nicht in Frage", sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger und und sprach von "reiner Ideologie". Alexander Dobrindt von der CSU nannte Gabriel gar einen "Ökostalinisten".
Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) bezeichnete den Atomausstieg am Sonntag als eine "energiepolitische Sackgasse, die wir schnell verlassen müssen". Gabriel warf dem Koalitionspartner "ideologische Kurzsichtigkeit" und "Etikettenschwindel" vor. "CDU und CSU verschließen die Augen vor den Gefahren der Atomkraft und reden sich diese Risikotechnologie schön", sagte Gabriel.
Unabhängig davon, wie sehr Gabriel den Vorschlag auch immer vertreten haben mag - das Thema Atomkraft war dadurch erneut auf der Tagesordnung. Zugleich konnte der Umweltminister eine schon mehrfach von ihm eingebrachte Idee erneut vortragen: Man möge doch die Laufzeiten der jüngeren Reaktoren verlängern und die alten Meiler dafür frühzeitiger vom Netz nehmen. Dies käme der Sicherheit der Atomkraft zugute, lasse die erzeugte Gesamtmenge aber unverändert.
Zugleich rief Gabriel die Union dazu auf, endlich den Atomkonsens zu akzeptieren: "Der Atomausstieg hat einen tiefen gesellschaftlichen Konflikt in unserem Land befriedet", sagte Gabriel, "wer das rückgängig machen will, reißt die alten Gräben wieder auf."
Der Umweltminister widersprach auch der Darstellung der CDU und CSU, dass längere AKW-Laufzeiten den Strom billiger machen würden. Auch sei Atomkraft keineswegs CO2-frei, sondern verursache bei der Uranförderung und der Herstellung der Brennelemente Emissionen von bis zu 126 Gramm CO2 pro Kilowattstunde. Der Umweltminister verwies auch auf die ungelöste Endlagerfrage. "Dreister als die Union kann man diese Risikotechnologie nicht verharmlosen", sagte Gabriel.
Unterdessen hat sich in den letzten Tagen mehr denn je gezeigt, dass eine Steuer auf Atomstrom keine armen Unternehmen träfe. Denn die Betreiber der Reaktoren erzielen immer größere Zusatzgewinne, weil sie im Gleichschritt mit den steigenden Öl- und Gaspreisen ihren Strom an der Börse teurer verkaufen können. An der Strombörse hatte der Preis für die Kilowattstunde Strom am Freitag mit über 8,6 Cent einen neuen Allzeitrekord erreicht.
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