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Anetta Kahane über die Wahl„Die FDP fischt im Trüben“

Die Menschrechtsaktivistin Anetta Kahane ist bekannt für ihren Einsatz gegen Antisemitismus. Wie geht sie mit der Wahl, wie mit der AfD um?

Menschlich super, aber parteipolitisch? Angela Merkel Foto: dpa
Jan Feddersen
Interview von Jan Feddersen

taz: Frau Kahane, worum geht es bei der Bundestagswahl wirklich?

Wir stehen vor einer Phase offener Widersprüche und Konflikte. Ich denke, der Höhepunkt der Auseinandersetzung darüber, wie sich die demokratischen Gesellschaften im globalen Kontext weiterentwickeln werden, ist noch längst nicht erreicht. Wenn jetzt schon, am Beginn dieses Prozesses, Hysterie und Rechtspopulismus die Debatte und die Stimmung dominieren, dann gnade uns Gott – oder sonst wer.

Die Wahl wird zeigen, ob wir als Gesellschaft einigermaßen erwachsen auf die neuen Themen und Herausforderungen eingehen können oder ob mit dem „Schönwetter“ in der Demokratie sie selbst infrage gestellt wird.

Wie schätzen Sie Merkel ein?

Merkel bewundere ich als rationale Person, als Frau mit Sinn für Humor, als strukturierter und wahnsinnig fleißiger Mensch. Ich finde es gut, dass sie menschliche Haltung zeigt und sehr deutlich macht, was für sie inakzeptabel ist. Ehrlich gesagt, empfinde ich sie in Menschenrechtsfragen als eine bessere Liberale als die Liberalen selbst. Frau Merkel wird als Pragmatikerin weiter ihre Linie verfolgen. Aber politisch teile ich vieles nicht, was sie mit der CDU vertritt.

Und die FDP?

Bild: dpa
Im Interview: Anetta Kahane

Anetta Kahane, 1954 in Ostberlin geboren, ist Gründerin und Vorstandsvorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, die die Zivilgesellschaft gegen Antisemitismus stärken will. Auch in ihren Kolumnen für Berliner Zeitung und Frankfurter Rundschau, macht sie sich für die Rechte von Minderheiten stark.

Die ist eine große Enttäuschung für mich. Lindners opportunistische Hinwendung zu Russland war ein Schlüsselerlebnis. Es bedeutet, dass die FDP ist, was sie schon immer war: eine Partei ohne klare Prinzipien bei der Verteidigung der Demokratie und ihrer Werte.

Ich hätte mir gewünscht, die FDP hätte das Thema Menschenrechte zu ihrem gemacht, statt es anderen zu überlassen. Menschenrechte, Gleichwertigkeit, Chancengleichheit: All das sind eigentlich liberale Kernthemen. Die offene Gesellschaft ist ein liberales Kernthema. Ich finde, die FDP hat versagt, an ihre Menschenrechtstradition anzuknüpfen. Stattdessen fischt sie im Trüben.

Müssen wir Angst haben vor der AfD?

Angst? Nein. Sie sind es, die mit Gefühlen wie Angst und Wut operieren. Wir sollten cool bleiben. Und kompetent statt nur moralisch. Selbstverständlich werden sie uns im Bundestag nerven. Mit Reden und Anfragen und all den Mitteln, die das Parlament eben bietet.

Ich hoffe aber, Medien und Politiker lernen sehr bald, nicht mehr über jedes Stöckchen zu hüpfen, das sie hin halten. Wir sollten, statt uns über jeden Unsinn aufzuregen, die AfD lieber jedes mal fragen: Ja und? Wie wollen Sie das machen?

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10 Kommentare

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  • Wenn als Kritik an der FDP einem als erstes "opportunistische Hinwendung zu Russland" einfällt, dann ist man wohl falsch konditioniert.

  • Die auch in diesem Interview durchscheinende "Russland-Hysterie" nervt langsam.

     

    Dass sich nun, nachdem die NATO dicht und ziemlich massiv an die russischen Grenzen vorgedrungen ist, Russland 'regt' und - Schockschwerenot - die ohnehin überwiegend russisch besiedelte Krim einverleibt hat, um sich den Zugang zum Mittelmeer zu erhalten, kann ja nur die Allernaivsten wirklich überraschen. Sowas haben sich umgekehrt die so gottgefälligen Amerikaner seinerzeit - Kuba-Krise - auch nicht bieten lassen. Insofern dringend mal zurückrudern, sich an die eigenen NATO-Nase packen und nicht immer wieder aufjaulen, wenn der an die russischen Grenzen stossende NATO-Aufmarsch von Russland konterkariert wird!

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @Wilfried Kramme:

      Es wird einem Angst und bang, so nah ist die Nato bereits an Russland, diesem winzigen Fleckchen Erde, das darum jede Bedrängung besonders empfinden muss...

      Und quasi steht die Nato ja bereits auf dem Roten Platz.

      Da kann Wladimir P. aus M. an der M. ja gar nicht anders als fremde Gebiete gewaltsam annektieren oder verdeckte Kriege in Nachbarländern führen.

      Und morgen, gemäß der gültigen Doktrin, heisst es: Den unterdrückten Landsleuten in Estland helfen, gell ?

      Es ist wie bei den AfD-Wählern. Die müssen auch zu Faschisten mutieren, wegen der vielen Flüchtlinge ...

  • Der Vollständigkeit halber: Frau Kahane war in der DDR ein Spitzel für das MfS unter dem Namen "IM Victoria."

     

    "Nach Angaben ihres Führungsoffiziers soll sie „Personen belastet“ haben."

     

    So viel Biographie muss sein, wenn jemand über Menschenrechte spricht.

    • @unbekannter_nutzer:

      Kann jeder auf ihrer Wikipedia-seite nachlesen. Was ändert das am Inhalt dieses Artikels ? Oder wird hier nur nach getreten ?

  • 3G
    39167 (Profil gelöscht)

    Von der FDP zu erwarten, dass sie sich für Menschenrechte einsetzt, das finde ich jetzt????

    Ich weiss nicht, wie ich das höflich formulieren soll.

    Sage ich mal:

    blauäugig, uninformiert, dreist!

  • 'Menschlich super, aber parteipolitisch?

    ein wenig wie bei IM Victoria....oder?

  • Bei Wal-O-Mat kann man auch feststellen, mit welchen Parteien man die wenigsten Übereinstimmungen hat. Und wenn man ein Gegner vom Rechtsextremismus und Rassismus ist, dann bekommt man die wenigsten Übereinstimmungen vor allem mit der AfD, der NPD und der FDP. Und diese 3 liegen ziemlich nah bei einander. Die FDP ist wohl eine Alternative für die Menschen, die konservativ und mehr rechts sind, jedoch die AfD nicht wählen wollen, weil sie so einen negativen radikalen Ruf hat. Dabei hat die Partei keine nennenswerten politischen Inhalte und auch keine nachhaltigen funktionierenden Lösungen.

    • @Stefan Mustermann:

      "Die FDP ist wohl eine Alternative für die Menschen, die konservativ und mehr rechts sind, jedoch die AfD nicht wählen wollen, weil sie so einen negativen radikalen Ruf hat."

       

      Schublade auf, Schublade zu.

    • @Stefan Mustermann:

      "und auch keine nachhaltigen funktionierenden Lösungen"

       

      Wer hat die denn?