Anerkennung einer Sekte: Grüne gegen Jehova
Schon lange wollen die Zeugen Jehovas in Bremen von einer privaten zu einer Körperschaft öffentlichen Rechts erhoben werden. Doch die Grünen sind dagegen
Formaljuristische Diskussionen sind nur so lange spröde und unsinnlich, wie sie formaljuristisch geführt werden. Sie sind zwar auch nur dann wirklich produktiv - aber interessant, symptomatisch interessant sind die leidenschaftlichen Debatten, die jene völlig unspektakuläre Frage in Bremen freisetzt. Nämlich: Ob eine seit bald 100 Jahren bestehende Körperschaft privaten zu einer öffentlichen Rechts erhoben werden sollte.
Beantragt haben das die Zeugen Jehovas (ZJ). Das würde sie rechtlich auf die gleiche Stufe wie die Mormonen stellen oder auch, wie die Christlichen Wissenschaftler, die körperliche Heilung durch die spirituelle Kraft der Worte ihrer Prophetin Mary Baker Eddy verheißen. Und natürlich wie die Großkirchen.
Dass die Zeugen Jehovas darauf einen Anspruch haben, ist im Grunde klar: Weihnachten 2000 hatte das Verfassungsgericht (2 BvR 1500/97) das festgestellt. Die Richter urteilten, dass ein Status-Bewerber "rechtstreu" zu sein hat, also "das geltende Recht beachten" muss. Und mehr nicht. Dann wurden die vorherigen Urteile aller Instanzen revidiert, und im Sommer 2006 musste Berlins Kultursenator die Verleihungs-Urkunde überreichen, was die Hauptstadt gut 15 Jahre versucht hatte zu vermeiden.
Es folgten bereits drei Viertel der Bundesländer, darunter alle im Norden. Außer Bremen. Dort nämlich ist die Anerkennung kein Verwaltungsakt, sondern erfordert ein Gesetz, muss also durchs Parlament. Zwar hatte der rot-grüne Senat einen entsprechenden Entwurf eingereicht, aber da regte sich Widerstand. Bedenken hatte nicht nur die oppositionelle CDU - vor allem in Person von Elisabeth Motschmann, verheiratet mit einem evangelischen Ex-Pastor, geäußert. Die Kirchenordnung seiner Gemeinde beinhaltet ein Predigtverbot für Frauen. Den meisten Eifer legen die Grünen an den Tag, die an anderer Stelle für einen Staatsvertrag mit der muslimischen Schura eintreten.
Mit den ZJ hingegen ist der Kontakt nicht so eng. Matthias Güldner, Chef der Grünen-Fraktion spricht zwar davon, dass es "kein Präjudiz" gebe, erwähnt jedoch "systematisch-strukturelle Menschenrechtsverletzungen", die er bei den ZJ ausgemacht haben will. Der lokalen Presse sollte das gestern durch zwei Zeugen-Aussteiger belegt werden. Die zeichnen glaubhaft das Bild einer "sehr rigide, autoritär und manipulativ" geführten Gemeinschaft, berichten vom Kontaktverbot zu "Ausgeschlossenen" - und der extremen psychischen Belastung, die das Zerreißen des sozialen Netzes für den Betroffenen bedeutet.
Natürlich bleibt das beklemmend, ist aber eben weder neu, noch eine Menschenrechtsverletzung - und wird von den ZJ nicht bestritten: "Jeder hat doch", so deren Sprecher Gajus Glockenthin auf telefonische Nachfrage, "das Recht, sich seinen Umgang zu wählen" - und ja, wer sich außerhalb der Gemeinschaft stelle, werde von der gemieden. Getreu der Empfehlung des Apostels Paulus.
Der Rechtsausschuss der Bürgerschaft berät im April erneut über den Antrag der ZJ. Geplant ist eine Anhörung, "bei der sie ihre Position darstellen dürfen". Es könne sein, "dass wir rechtlich zur Anerkennung gezwungen sind", so Güldner. "Dann verweigern wir uns nicht."
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