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Andreas Speit Der rechte RandWie die CDU sich auch im Norden immer mehr der AfD annähert

Immer näher rückt die AfD in Umfragen an die CDU heran. Nur noch knapp zwei Prozent trennen die Parteien. Auf Bundesebene prescht der CDU-Spitzenpolitiker Jens Spahn mit der Idee vor, die Strategie zu ändern und die AfD künftig so zu behandeln wie andere Parteien auch. Im Osten fordern CDU-Landes- und Kom­mu­nal­po­li­ti­ke­r*in­nen diese Normalisierung ebenfalls. Und auch Bundespolitiker der CDU aus dem Norden befürworten einen Kurswechsel.

Mathias Middelberg, Vorsitzender der Landesgruppen Niedersachsen aus Osnabrück, unterstützt den Kurswechsel, bringt aber kein neues Argument ein. Er schlägt vor, der AfD künftig Ausschussvorsitze im Bundestag zuzugestehen, um zu verhindern, dass sie ­ihren „Opferstatus“ weiter ausbaut. Gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung äußert Middelberg, die AfD sei allein durch eine „erfolgreiche Politik“ bei Themen wie Asyl oder Bürgergeld kleinzukriegen. Dabei ignoriert er, dass sich die CDU gerade bei diesen Themen den unsozialen Positionen der AfD annähert, wodurch deren Ressentiments legitimiert erscheinen könnten. Middelberg übersieht – wie andere in der CDU – die zur DNA der AfD gehörende Opferinszenierung, ein Merkmal, das sie mit rechtsextremen Parteien teilt.

Auch Johann Wadephul will die AfD nicht von Ausschussvorsitzen ausschließen. Diese Ausgrenzung ermögliche es der größten Oppositionspartei im Bundestag, ihren „Märtyrerstatus“ zu pflegen, erklärte der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende aus dem schleswig-holsteinischen Wahlkreis Rendsburg-Eckernförde gegenüber dem ­Redaktionsnetzwerk Deutschland (taz ­berichtete).Wadephul, der auch die CDU-Landesgruppe Schleswig-Holstein leitet, scheint wie Middelberg unbeeindruckt davon, dass der Verfassungsschutz Teile der AfD als rechtsextrem einstuft. Bereits 2021 erkannte eine noch nicht veröffentlichte Analyse des Bundesamtes für Verfassungsschutz „tatsächliche Anhaltspunkte“ für verfassungsfeindliche Bestrebungen der AfD.

Foto: Jungsfoto: dpa

Andreas Speitarbeitet als freier Jour­nalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

Diese CDU-Schwergewichte aus dem Norden ignorieren zudem Analysen, die zeigen, wie konservative Parteien ihren liberal-konservativen Wertekanon zugunsten eines radikal-konservativen Kurses aufgeben und dadurch an politischer Relevanz verlieren. Davor warnt unter anderem Thomas Biebricher, Professor für Politische Theorie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Die AfD macht aus dieser Strategie der Zersetzung keinen Hehl: Auch um den internen Konflikt zu schüren, erklärte bereits 2024 der niedersächsische AfD-Landtagsfraktions­vorsitzende Klaus Wichmann, die CDU müsse ihr „konservatives Herz“ wiederentdecken, um gemeinsam eine „große konservative Kraft“ im Parlament zu bilden. Diese Selbstverortung als „konservativ“ vertritt offenbar auch der AfD-Bundestagsabgeordnete Kurt Kleinschmidt. Der schleswig-holsteinische AfD-Vorsitzende betont ebenfalls, dass die AfD zu Verhandlungen mit der CDU bereit sei.

Eine rechts-konservative Allianz aus Union und AfD wird zunehmend von konservativen Politikwissenschaftlern und Publizisten diskutiert

Eine solche rechts-konservative Allianz aus Union und AfD wird zunehmend von ­konservativen Politikwissenschaftlern und Publizisten diskutiert. Nur so sei eine Politik ohne SPD und Grüne umsetzbar, wie es die Mehrheitsverhältnisse nach der letzten Bundestagswahl ermöglicht hätten. Die Geschichte zeigt jedoch, dass die Einbindung von Antidemokraten diese nicht deradikalisierte.

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