Andreas Speit Der rechte Rand: Wie die AfD Wahlkampf macht
Der Wahlausschuss hat die AfD zur Landtagswahl in Niedersachsen am 9. Oktober zugelassen. „Alle Anfechtungen der Liste und die Einsprüche gegen diese stellten sich als haltlos heraus“, verkündete die AfD auf ihrer Website. Seit Wochen hatten in der AfD Richtungskämpfe und persönliche Animositäten die Erstellung der Landesliste verzögert.
Unter dem Motto „Es gibt eine Alternative“ hat die AfD am Mittwoch ihren Landtagswahlkampf mit ihrem Spitzenkandidaten Stefan Marzischewski gestartet. In Lüneburg eröffnete sie ihn am Mittag mit einen Infostand in der Fußgängerzone. Am Abend folgte ein Auftakt, zu dem sowohl Marzischewski als auch der AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner aus Thüringen und der AfD-Landtagsabgeordnete Stephan Bothe aus Niedersachsen angekündigt waren.
Mit den Rednern hat der Verband auch gleich eine politische Ausrichtung vorgegeben. Brandner ist mit antisemitischen Ressentiments aufgefallen. Er gehört in der AfD zum völkisch-nationalistischen Flügel und gilt mit Blick auf dessen Anführer als „Höckes Mann in Berlin“. In Lüneburg dürfte die AfD mit dem Auftritt das große Milieu der völkischen Siedelnden ansprechen wollen.In Niedersachsen befürchtet die Partei, wie in Schleswig-Holstein an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern. Im Juli lag sie laut einer Umfrage von Infratest Dimap bei sechs Prozent – ein Prozentpunkt weniger als bei der Prognose im November 2021.
Schon das Cover des Landeswahlprogramms greift das Bundestagswahlkampfmotto „Aber normal“ visuell auf. „Die Meiers – Eine Familie in Niedersachsen“ ist zu lesen: Zu sehen ist eine gezeichnete weiße, klassische Familie mit drei Kindern vor einem Eigenheim mit Garage; ein Hund spielt im Garten. Der bemühte Clou der Wahlprogrammbroschüre: Den alltäglichen Herausforderungen der Meiers – „Christian, 36, Fensterbauer“, „Lisa, 32, Verkäuferin“, „Mia, 9, Ballerina“ „Lukas, 5, Judo-Gelbgurt“, „Finn, Nesthäkchen“ und „Lucy, Wachhund“ – wird in der 16-seitigen Broschüre gefolgt.
Die Eltern sorgen sich wegen der Inflation, ob der Familienurlaub ausfällt und dass ihnen trotz eines arbeitsreichen Lebens Armut droht. Sie beklagen, dass die Grünen die Energiekosten hochtrieben und die Wirtschaftssanktionen der Bundesregierung gegen Russland zusätzlich die Kosten erhöhten. Lisa sorgt sich, dass ihre Kinder „ohne Migrationshintergrund zu einer Minderheit“ gehören könnten und sie weiß, Migration führe zu Messerattacken, Schießereien und Gruppenvergewaltigung.
Christan beklagt als Inhaber eines kleinen Handwerksbetriebs den „E-Auto-Wahnsinn“ und dass Schüler:innen „56 angebliche Geschlechter kennen, aber keinen Dreisatz lösen können“. Und Lisa begleitet ihren Bruder zum Arzt, weil er als Polizist bei einer linksextremen Demonstration verletzt wurde. Er beklagt gleich die vermeintliche Anweisung, hart bei Coronaprotesten durchzugreifen, als „Politik gegen das eigene Volk“. Die Positionen werden durch soziale Forderungen für „normale Deutsche“ ergänzt.In Lüneburg hat sich gegen diese „Normalität“ Protest angekündigt.
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