piwik no script img

Andreas Speit Der rechte RandWarum Reichsbürger nicht nur Papierterroristen sind

Die Entwaffnung der Reichsbürgerbewegung treibt das Landesinnenministerium in Niedersachsen voran. Vor knapp eineinhalb Jahren verfügte Innenminister Boris Pistorius (SPD), bekannte Reichsbürger, die offiziell eine Waffe besitzen, zu entwaffnen. „Es kann nicht sein, das jemand den Staat ablehnt, aber von diesem einen Waffenschein ausgestellt bekommen möchte“, sagte er.

Bis heute haben die Behörden 51 Anhängern der Szene die Waffenerlaubnis entzogen und 84 Waffen eingezogen. Aber noch besitzen 120 Gefährder aus selbsternannten Staaten oder mit selbst erstellten Pässen noch ganz legal Waffen. Ihnen die Waffen abzunehmen, sei sehr aufwendig, da „jeder Einzelfall“ geprüft werden müsste, erklärte der damalige Landespolizeipräsident Uwe Binias, als der Erlass in Kraft trat.

Der Abgleich der Daten zwischen Behörden und Verwaltungen ist auch wegen des Datenschutzes nicht einfach. Vor allem muss sich ein Anhänger der sehr heterogenen Szene gegenüber der Verwaltung selbst durch entsprechende Aktivitäten und eindeutige Rhetorik geoutet haben, um überhaupt als Anhänger erfasst zu werden.

Daran herrscht kein Mangel. Bei den Behörden gehen zahllose Schreiben ein, die ihnen das Recht absprechen, Gebühren zu erheben. Bei Polizeikontrollen zeigt manch einer den Ausweis des „Freistaat Preußen“. 2017 fielen dem niedersächsischen Verfassungsschutz 1.400 Reichsbürger auf. Im Dezember 2016 hatten die Sicherheitsbehörden noch, von „annähern 500 Personen“ gesprochen.

Doch in dieser Zeit haben sich nicht so sehr die Ideen der Reichsbürger verbreitet, vielmehr hat sich die Sichtweise der Sicherheitsbehörden gewandelt. Bis zum 19. Oktober 2016 nahmen die Behörden die Szeneanhänger überwiegend als „Papierterroristen“ oder als „Spinner“ wahr. Dann kam es zu einer Razzia im fränkischen Georgsmünden, bei der der selbsternannte Reichsbürger Wolfgang Plan einen Polizeibeamten erschoss und drei weitere Beamte verletzte.

Zehn Reichsbürgern verwehrten die Behörden seither eine Waffenerlaubnis. Mit dem Entzug muss die Auseinandersetzung aber nicht beendet sein. In einzelnen Bundesländern haben Reichsbürger Rechtsmittel gegen die Maßnahme eingelegt. Dass sie den Rechtsstaat ablehnen und dennoch den Rechtsstreit suchen, ist für sie kein Widerspruch. Entwarnung kann aber nicht gegeben werden: Nicht nur, dass mit einer Reihe unerkannter Reichsbürger zu rechnen ist – in der Szene kursieren auch illegale Waffen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen