Andreas Scheuer verlässt Bundestag: Steiler Aufstieg, steiler Abstieg
Um Andreas Scheuer war es ruhig geworden. Jetzt hat sich der frühere Bundesverkehrsminister überraschend aus dem Bundestag verabschiedet.
Die andere Zahl – das ist die weniger lustige – fällt in seine Zeit als Verkehrsminister, der er im letzten Merkel-Kabinett war. Sie beläuft sich auf nicht weniger als 243 Millionen. Diese Summe in Euro kostete die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler das CSU-Abenteuer mit der PKW-Maut.
Die Maut selbst war zwar eher das Baby von Scheuers Vorgänger Alexander Dobrindt und dem damaligen CSU-Chef Horst Seehofer, die Schadenersatzzahlung wurde allerdings fällig, weil Scheuer die Betreiberverträge abgeschlossen hatte, ohne eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abzuwarten. Dieser kippte das ganze Projekt schließlich im Jahr 2019. Seither war Scheuers Ruf mehr als lädiert, auch in der eigenen Partei fand er kaum noch Rückhalt. Sogar beim Politischen Aschermittwoch erntete er Pfiffe. Für Scheuer dürften sie sich wie zehntausend angefühlt haben.
Nächstes Ziel unbekannt
Jetzt hat der Niederbayer, der im Herbst seinen 50. Geburtstag feiert, endgültig seine politische Karriere beendet. Nachdem er bereits zum Jahreswechsel angekündigt hatte, nicht mehr zur nächsten Bundestagswahl anzutreten, gab er am Montag selbst für Parteifreunde überraschend den sofortigen Verzicht auf sein Mandat bekannt: „Es war mir eine Ehre, für unser Land und für meine Heimat arbeiten zu dürfen.“ Zu seinen Beweggründen äußerte sich Scheuer ebenso wenig wie zu der Frage, wo es ihn nun nach 22 Jahren im Bundestag hinzieht.
Dass er politisch in die erste Reihe rücken durfte, hatte Scheuer vor allem Seehofer zu verdanken, der ihn anfangs noch als Lausbub bezeichnet haben soll, der erst mal ein Praktikum machen müsse. Dem Lausbuben-Image wurde Scheuer jedoch auch später immer wieder durch unkontrollierte Äußerungen und Aktionen gerecht. So geht der Satz „Lampedusa darf kein Vorort von Kiefersfelden werden.“ auf Scheuer zurück.
Für deutlich mehr Wirbel allerdings sorgte dieses Zitat: „Entschuldigen Sie die Sprache: Das Schlimmste ist ein fußballspielender, ministrierender Senegalese, der über drei Jahre da ist. Weil den wirst du nie wieder abschieben.“ In der Formulierung indiskutabel bringt es zugleich den Grundsatz der christsozialen Migrationspolitik auf den Punkt, wonach die so oft geforderte Integration zumindest bei nicht anerkannten Flüchtlingen zu verhindern sei, um kein Abschiebehindernis zu schaffen.
Rendezvous mit Rechtsaußen
Aufsehen erregte auch der Besuch einer kleinen, von Scheuer angeführten CSU-Delegation bei Floridas höchst umstrittenem Gouverneur Ron DeSantis vor knapp einem Jahr. „Die starken strategischen und außenpolitischen Einschätzungen des Gouverneurs heben die transatlantische Zusammenarbeit hervor“, schrieb der CSU-Politiker hinterher auf Twitter über den Republikaner, der in seinem Bundesstaat beispielsweise eine stark homophobe Politik umsetzt.
Bis Scheuer nun seine weiteren beruflichen Pläne bekannt gibt, lässt sich natürlich fröhlich spekulieren: Winkt ihm ein lukrativer Posten bei einem bayerischen Autokonzern? Zieht es den bekennenden Transatlantiker, dessen Lebensgefährtin als Lobbyistin für Facebook arbeitet, zu einem amerikanischen Arbeitgeber? Macht der Oldtimer-Liebhaber nun einen Gebrauchtwagenhandel in Passau auf? Oder geht Scheuer, der vor wenigen Monaten zum zweiten Mal Vater wurde, erst mal in Elternzeit? Am Dienstagnachmittag war das Nachrichtenportal „Business Insider“ bereits auf einer heißen Spur: Ein Blick in Handelsregister-Unterlagen würde offenlegen, dass Scheuer bereits vor zwei Wochen zwei Firmen gegründet hat, die auf eine Tätigkeit als Unternehmensberater schließen lassen.
Für die CSU ist sein Abschied aus dem Bundestag zumindest in einer Hinsicht auf jeden Fall ein Verlust: Da Scheuer trotz starken Stimmenverlustes auch bei der Bundestagswahl 2021 als Direktkandidat ins Parlament eingezogen war, gibt es keinen Nachrücker. Die Landesgruppe schrumpft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen