Analytiker über Mord an Peggy K.: „Jetzt sind die Ermittler dran“
Laborfehler bei der Identifizierung der DNA des NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt? Der Forensiker Carsten Hohoff schließt das aus.
taz: Herr Hohoff, in einem Wald in Thüringen wurde im Juli die Leiche der 2001 verschwundenen Peggy K. gefunden. Nun entdeckten Ermittler an einem Stofffetzen, der am Fundort lag, eine DNA-Spur des NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt. Ist das möglich, nach 15 Jahren unter Wind und Wetter?
Carsten Hohoff: Die Nachricht hat mich auch überrascht. Aber ja: Möglich ist es. Das hängt von den lokalen Bedingungen ab. Wenn der Stoff geschützt lag, idealerweise unter einem dichten Blätter- und Nadeldach, dann reduziert sich die Einwirkung von Wind, Regen und Sonne deutlich. Und dann kann solche DNA auch nach 15 Jahren noch nachweisbar sein. Trocken, kühl, dunkel – das sind die optimalen Bedingungen.
Das könnte unter Umständen in einem Wald gegeben sein?
Ja. Es hängt auch von der DNA-Menge ab, die initial dorthin gelangt ist. Je mehr Zellmaterial damals zurückgelassen wurde, desto größer die Chance, nach Jahren noch etwas zu finden.
Könnte das Analyseergebnis auf einem Laborfehler beruhen?
Einen Laborfehler halte ich für höchst unwahrscheinlich. Die Leichen von Uwe Böhnhardt und von Peggy K. wurden zwar im gleichen Labor untersucht – aber mit fünf Jahren Abstand. Und das Stofffragment, auf dem die Böhnhardt-DNA gefunden wurde, wurde in einem ganz anderen Labor untersucht.
45, arbeitet am Institut für Forensische Genetik Münster, einem der führenden DNA-Forschungslabore.
Im Fall des Mordes an der Heilbronner Polizistin Michele Kiesewetter durch die NSU-Terroristen wurde zuerst eine Frau gesucht, die Verbrechen in ganz Europa begangen haben soll. Am Ende stellte sich heraus: Die DNA kam von einer Frau aus der Herstellerfabrik, die die Wattestäbchen zur Spurensicherung verpackt hatte.
Auch solch eine Wendung halte ich diesmal für ausgeschlossen. Dann müsste ja Herr Böhnhardt mit solchen Spurensicherungsgegenständen zu tun gehabt haben, um seine DNA mit den Asservaten vom Peggy-Fundort zusammenzubringen. Eher lebensfremd, oder?
Welche Fehler sind dann noch möglich?
Ganz ehrlich: Mir fällt keiner ein. Deshalb müssen jetzt die Ermittler übernehmen: War Herr Böhnhardt irgendwann an dieser Stelle im Wald? Korreliert das mit dem Verschwinden oder dem Tod von Peggy K.? Da gibt es noch sehr viele Mosaiksteine abzuklopfen.
Nun soll auch der ungeklärte Mord an dem neunjährigen Bernd B. aus Jena neu überprüft werden. Diese Tat liegt sogar 23 Jahren zurück. Lässt sich da DNA-technisch noch etwas nachweisen?
Das kommt ganz auf die konkrete Spurenlage an. Wenn DNA-Spuren ordnungsgemäß aufbewahrt wurden, lassen sie sich im Prinzip auch nach einer solch langen Zeitspanne erfolgreich untersuchen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links