Analyse: Rechte in Not
■ Führende US-Republikaner wollen das Verfahren gegen Clinton loswerden
Bill Clinton kann sich freuen: Eine Woche, bevor im Rechtsausschuß des US-Repräsentantenhauses die offiziellen Anhörungen zum Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten beginnen, wollen führende Republikaner das Verfahren möglichst schnell beenden. Der Grund liegt auf der Hand: Bei den Kongreßwahlen vom 3. November hatten die Republikaner statt der erwarteten Stimmengewinne Verluste erlitten – ein deutliches Zeichen, daß ihr Kampf gegen Clinton beim Wahlvolk nicht ankommt. Mit der kleineren Mehrheit im Repräsentantenhaus und unverändertem Stimmenverhältnis im Senat geht ohnehin niemand mehr davon aus, daß die notwendige Mehrheit für eine Amtsenthebung zustandekommen könnte. „Die amerikanische Bevölkerung hat klar signalisiert, daß sie sie [die Lewinsky-Affäre] nicht als Grund für ein Amtsenthebungsverfahren ansieht,“ gestand Bob Livingston, designierter Nachfolger des republikanischen Sprechers Newt Gingrich, dem Fernsehsender ABC.
Formal hat sich Livingston jetzt darauf zurückgezogen, die weiteren Schritte ganz in die Hände des Abgeordneten Henry Hyde zu legen, der dem Rechtsausschuß vorsteht. Der sagt bislang, die Abgeordneten hätten „eine verfassungsrechtliche Pflicht“, das Verfahren wie vorgesehen zu Ende zu führen. Aber viele Beobachter vermuten, der Pragmatiker Livingston wolle das ganze Thema bis zum 3. Januar vom Tisch haben, wenn er seinen Posten als republikanischer Fraktionschef antritt. Einen Ausweg schlägt der republikanische Senator Arlen Specter vor: Statt „das Land durch ein Amtsenthebungsverfahren zu zerren, das zu gar nichts führt“, solle man doch Clinton nach Ende seiner Amtszeit wegen Meineids, Behinderung der Justiz und der anderen Vorwürfe strafrechtlich belangen.
Tatsächlich befinden sich die Republikaner in einem Dilemma. Die Kritik, daß sich Haus und Senat in der vergangenen Legislaturperiode zu sehr auf Obstruktion und Amtsenthebung, zuwenig aber auf Gesetzgebung konzentriert hätten, war nicht nur Teil des demokratischen Wahlkampfes, sondern wird auch von vielen Republikanern geteilt. „Weg mit Clinton!“ und „Runter mit den Steuern!“ war denn doch ein bißchen wenig Profil. Eine personelle Erneuerung nach Gingrichs Rücktritt soll die Republikaner auch inhaltlich wieder in die Spur bringen – wobei die Partei, unentschieden wie selten, sich zwischen dem gewachsenen Einfluß der christlichen Rechten und dem pragmatischen Flügel aufzureiben droht. Bis zu den Vorwahlen über den Präsidentschaftskandidaten für das Jahr 2000 müssen sich die Fronten geklärt haben. Das Amtsenthebungsverfahren steht dabei nur im Wege. Bernd Pickert
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