Analyse: Rechts um!
■ Neue Studie: Offiziersstudenten denken stärker national-konservativ
Alles, was dem gepflegten Bild von der innerlich gefestigten Truppe bei der Bundeswehr entgegensteht, hat es schwer, ans Tageslicht zu kommen. Nicht nur die Videos von Hammelburg und Schneeberg brauchten ein beziehungsweise vier Jahre, um an die Öffentlichkeit zu gelangen. Gestern veröffentlichte der Berliner Tagesspiegel die Befunde einer Studie über die politische Einstellung von Bundeswehroffizieren, die ebenfalls zwei Jahre unter Verschluß gehalten wurde. Auch wenn nur die Ergebnisse der Befragungen vorliegen und nicht die Untersuchungsmethoden – Volker Rühe kann sich nicht länger hinter der abwehrenden Erklärung verstecken, die Videos von Hammelburg und Schneeberg seien Einzelfälle. Einzelfälle ergeben eine Tendenz. Sie wird untermauert von der Studie, die Mitarbeiter des Generalinspekteurs schon vor Monaten Volker Rühe vorgetragen haben sollen: Die Truppe dreht nach rechts.
Verglichen wurden die politischen Einstellungen der Studenten an den beiden Bundeswehrhochschulen Hamburg und München mit denen ihrer zivilen Studienkollegen an den Universitäten. Im Gegensatz zu früheren Untersuchungen wurden alle Offiziersstudenten der Jahrgänge 1991 bis 1994 befragt. Das Bild, das sich zwischen zivilen und Offiziersstudenten ergibt, ist bedenklich. Mehr als die Häfte der Studenten in Uniform (55 Prozent) steht politisch rechts von der Mitte; zivile Studenten aus den alten Bundesländern gaben dies zu 40 Prozent an, aus den neuen Bundesländern zu 34 Prozent. Signifikant weit rechts ordnen sich jene Offiziersstudenten ein, die auf Lebenszeit zum Bürger in Uniform berufen werden wollen. Befragt nach ihrer Denkrichtung, präferieren 75 Prozent der Bundeswehrstudenten die „christlich- konservative“. Studenten der Landesuniversitäten fühlen sich zu 64 Prozent im „grün-alternativen“ Milieu wohl. Mehr als zwanzig Prozent der Offiziersstudenten gaben an, national-konservativem Gedankengut anzuhängen; demokratische Grundprinzipien wie das Demonstrationsrecht halten sie für weniger unterstützenswert. Auch Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung lehnen sie im Gegensatz zu zivilen Studenten weniger entschieden ab.
Die Ergebnisse der Studie lassen nicht den Schluß zu, die Bundeswehr habe das demokratische Prinzip der Inneren Führung aufgegeben. Sie sagen auch nichts über Gewaltbereitschaft und rechtsradikale Gesinnung in der Truppe aus. Solch detaillierte Untersuchungen scheut die politische Führung seit langem. Dabei warnte eine bundeswehrinterne Studie schon 1992 davor, daß die Truppe „zunehmend für junge Männer attraktiv ist, die demokratischen Prinzipien kaum oder gar nicht verbunden sind“. Zur der neuen Umfrage ließ Volker Rühe verlauten: „Der Versuch, unpräzise soziologische Kategorien mit Rechtsorientierung junger Offiziere gleichzusetzen, ist polemisch.“ Anscheinend will der Verteidigungsminister die ganze Wahrheit über den Zustand seiner Truppe nicht wissen. Das ist mehr als bedenklich. Annette Rogalla
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