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AnalyseKlagenswerter Euro

■ Vier Professoren wollen nächste Woche das Verfassungsgericht anrufen

Selten hatte eine Verfassungsbeschwerde so viel Medienerfolg, bevor sie überhaupt eingelegt wurde. Am 12.Januar soll es nun soweit sein. Vier Professoren werden beim Bundesverfassungsgericht Klage gegen die geplante Einführung des Euro einreichen: der Jurist Karl-Albrecht Schachtschneider sowie die drei Ökonomen Joachim Starbatty, Wilhelm Nölling und Wilhelm Hankel. Schon heute ruhen die Hoffnungen aller Euro-Gegner auf der „Viererbande“ – wie sie sich selbst nennen – und auf dem Bundesverfassungsgericht.

Karlsruhe hatte zwar 1993 den Maastrichter Vertrag zur Einführung der Währungsunion für grundgesetzkonform erklärt, dabei aber klargestellt, daß nur eine strikte „Stabilitätsgemeinschaft“ akzeptabel sei. Seither gilt es als ausgemachte Sache, daß die endgültige Entscheidung über den Euro nicht von der Politik, sondern in Karlsruhe getroffen wird.

Bisher sind erst drei Verfassungsbeschwerden bei den roten Roben eingegangen, darunter die des ehemaligen Chefredakteurs der ADAC-Motorwelt, Klaus-Peter Heim, und des Mainzer Rechtsprofessor Hans Heinrich Rupp. Die Medien konzentrieren sich jedoch schon seit Monaten fast ausschließlich auf Schachtschneider und seine Kollegen.

Daß die vier Euro-Gegner mit ihrer Klage so lange warteten, ist allerdings nicht Ausdruck einer besonders raffinierten Medienstrategie. Vielmehr sollte der Jahreswechsel abgewartet werden, weil die Währungsunion (zumindest nach der eigenwilligen Ansicht von Schachtschneider) bis zu diesem Termin von der Politik noch hätte verschoben werden können. Auch in seiner Klageschrift will sich der Erlanger Jurist nicht an das halten, „was in den Lehrbüchern steht“. So hat er angekündigt, daß er ein „Bürgerrecht auf wirtschaftliche Stabilität“ einfordern möchte.

Ob er damit beim Verfassungsgericht Erfolg haben wird, ist heute noch schwer abzuschätzen. Die SPD-Europaabgeordnete Christa Randzio-Plath glaubt, daß die Professoren- Klage als unzulässig abgewiesen werden wird. Damit dürfte sie zwar in Übereinstimmung mit den Lehrbüchern liegen, wird es den Professoren doch schwerfallen, eine Verletzung ihrer Grundrechte zu konstruieren. Doch beim Verfassungsgericht weiß man nie. Auch die Klagen gegen den Maastrichter Vertrag hielt die Fachwelt damals fast einmütig für unzulässig. Karlsruhe aber hatte Lust, Europapolitik zu machen.

Die über 300 Seiten starke Beschwerdeschrift wollen die Professoren am Montag persönlich in Karlsruhe überreichen – ein äußerst ungewöhnliches Verfahren. Ob sie dabei mehr als den Pförtner und das Wachbataillon zu Gesicht bekommen? In Karlsruhe hat sich der hohe Besuch bisher noch nicht angekündigt. Christian Rath

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